betr.: Wiederbegegnung mit einem alten Film
Zweimal lebenslänglich wegen Doppelmordes: Bankier Andy Dufresne (Tim Robbins) landet 1947 unschuldig hinter Gittern. Die Gewalt im Knast erträgt er mit stoischer Ruhe, was seinen coolen Mitsträfling Red (Morgan Freeman) schwer beeindruckt. Nachdem Andy sich als begabter Verfasser von Steuererklärungen beim Wachpersonal beliebt gemacht hat, nutzt Direktor Norton dessen Finanzwissen, um seine krummen Geschäfte abzuwickeln. Das bringt Andy weitere Freiheiten ein und ermöglicht es ihm, die Zuchthausbibliothek auf Vordermann zu bringen. Als Andy nach 19 Jahren seine Unschuld beweisen kann, torpediert der korrupte Norton seine Freilassung. Doch Andy hat ein letztes As im Ärmel: eine Fluchtstrategie, an der er all die Jahre emsig herumgeschabt hat …
Viele Filme, die uns zur Zeit ihrer Uraufführung in den 90er Jahren als verblüffend ausbalancierte Parabeln erschienen – als meisterlich leichte Dramen bzw. abgründige Komödien – wirken heute schrecklich betulich.* (Beim heutigen Wiedersehen meine ich den naiven Glauben vom „Ende der Geschichte“ darin zu spüren, der sich wenige Jahre später mit einem harten Windstoß verflüchtigen sollte.)
„Die Verurteilten“ gehört zu den Filmkunstwerken, bei denen es schmerzt, das feststellen zu müssen, denn es ist nach wie vor ein Film mit sympathischen Hauptfiguren, und er übermittelt eine Botschaft, derer wir gerade in unseren Tagen besonders bedürfen: alles wird gut werden, die Guten werden belohnt, die Bösen bestraft, und die Leidenden werden getröstet.
Der Gefängnisalltag wirkt so geordnet, dass die obligaten Scheußlichkeiten (Korruption, Vergewaltigung unter der Dusche, Folter …) sich vor diesem Hintergrund ausnehmen wie jene Ärgernisse, die auch in unserem zivilen Alltag letztlich nicht zu vermeiden sind. Spätestens nach einer Weile (und viel häufiger als zumindest in meinem Alltag) lassen sich alle diese Widrigkeiten irgendwie beilegen oder auflösen. Sogar das Klischee, mit ein wenig Mozart sei jeder Tag dein Freund, wird einmal mehr bedient …**
Das ist der Preis den der Film für das edle Ansinnen zahlt, ein Knastfilm und zugleich ein Feelgood-Movie zu sein. Zunächst ging diese Rechnung übrigens nicht auf. Als „Die Verurteilten“ 1994 in den US-Kinos anlief, war er ein Reinfall. Selbst mit sieben Oscar-Nominierungen spielte er kaum die Produktionskosten ein. (Fairerweise muss gesagt werden, dass Stephen Kings Buchvorlagen jenseits des Horrorgenres es im Kino häufig schwer hatten, besonders wenn sie so prätentiöse Titel hatten wie „Rita Hayworth And The Shawshank Redemption“.)
Erst als Verleihcassette hatte der Film ein Jahr später Erfolg. Er wurde zum meistgeliehenen Video des Jahres und brach Quotenrekorde im Fernsehen. Regisseur Frank Darabont hatte eine Erklärung dafür: „Es dauerte eine Weile bis die Leute realisierten, dass dies kein deprimierendes Gefängnis-Drama, sondern ein erbaulicher Film ist!“
„The Shawshank Redemption“ hat in Umfragen nach dem „besten Film aller Zeiten“ (wie im britischen „Empire“-Magazin oder in der „Internet Movie Database“) seither ein trockenes Plätzchen. Dass er noch immer so beliebt ist, liegt daran, dass viele Fans ihre Zuneigung nach alten Lieblingsfilmen selten nachprüfen.
Es gibt noch einen Kritikpunkt, der auf den ersten Blick kleinlicher erscheint als er ist: die beiden befreundeten Knastbrüder Andy und Red altern nicht. Da die Maske nichts tut, um den Lauf der Zeit kenntlich zu machen, teilen sich dem Betrachter auch die knapp 20 Jahre Lebenszeit nicht mit, die dem Helden zu unrecht geraubt werden. Die Tragödie gerät zu einem etwas längeren Spaziergang.
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* Siehe z.B. auch https://blog.montyarnold.com/2021/06/15/besser-gehts-nicht/
** Die Metapher ist nicht kaputtzukriegen. Siehe auch https://blog.montyarnold.com/2022/09/27/21480/