Komik, Action und Destruktion (1)

Von der Verwandtschaft des Actionfilms mit der Slapstick Comedy

Seine humorvollste Zeit hatte der Film in seiner stummen Frühphase. Das amerikanische Slapstick-Kino erhöhte die Zahl der Lacher noch, die seine französischen Vorbilder hervorgerufen hatten, durch halsbrecherische Verfolgungsjadgen und irre Stunts (welche von den sonnigen kalifornischen Außenaufnahmen profitierten) und natürlich durch Sahnetorten. Mancher Filmfreund ist der Meinung, dass selbst der hinzukommende Dialogwitz (etwa in der Screwball Comedy der 40er Jahre) nicht mehr zu dieser Höhe des Witzes hinaufgekommen ist, aber da muss man sich nicht festlegen.
Ein Dreivierteljahrhundert später etablierte sich ein Genre, das auf den ersten Blick wenig damit zu tun hat: der Actionfilm. Er wurde in den 80er Jahren zu einem Phänomen des Mainstreams, feierte 1991 mit „Terminator 2“ seinen künstlerischen Zenit (der von einem kommerziellen Erfolg begleitet war) und verschwand in einer Nische, in der er bis heute gut gedeiht.
Dieser Essay will der Verwandtschaft dieser beiden so ungleichen Gattungen nachspüren.

Der deutsche Filmhistoriker Joe Hembus stellte und beantwortete einmal die Frage, „warum es so komisch ist, wenn immer alles restlos kaputtgeht“. Dabei dachte er nicht etwa an Schauspieler wie Arnold Schwarzenegger (dessen Neudefinition des eigenen Genres als „Aktschfuim“ er nur in ihren Anfängen miterleben sollte).
Ab 1975 schrieb Hembus für das ZDF eine Reihe von Einführungstexten in das Werk von Laurel & Hardy (die Theo Lingen dann vortrug). Darin heißt es: „Der tiefe Sinn jeder Komik ist es, die aus den Fugen geratene Welt wieder in Ordnung zu bringen; damit das aber geschehen kann, muss erst einmal tabula rasa gemacht werden; das heißt, alles, was die Harmonie der Welt stört, muss erst einmal radikal abgeräumt werden, in einem Akt der Befreiung, der erleichtert und erheitert.“

Dann zitiert Hembus den französischen Professor Étienne Fuzellier, der in seinem Essay „Die Komik der Destruktion“ (erschienen in der Zeitschrift „Das neue Zeitalter“ vom Juli 1955) unter besonderer Berücksichtigung von Laurel & Hardy, den Marx Brothers und Franz Kafka schreibt: „Das Destruktive ist die Quintessenz des Komischen. Meiner Ansicht nach ist das Lachen das Anzeichen einer intellektuellen Überlegenheit, der Freude, die einem ein Vernichtungsurteil bereiten kann. Der Urheber der komischen Handlung ist unser Delegierter und unser Rächer: wir vernichten mit ihm und durch ihn das, was uns schockiert oder stört. Der Zuschauer ist der Komplize der Zerstörung, und sein Lachen signalisiert die Genugtuung, die Personen, Gegenstände oder Prinzipien, die er verurteilt, zerstört zu sehen.“

Dieses befreite, befriedigte Lachen über die angerichtete rächende Verwüstung lässt sich besonders schön im Finale von „Die Harder“ erleben, dem zweiten der „Stirb Langsam“-Actionfilme mit Bruce Willis. Als die fliehenden Terroristen in ihrem Flugzeug in Flammen aufgehen, lässt sich der geschundene Held in den Schnee des Rollfelds zurücksinken und freut sich wie ein Kind. Er jubelt und lacht so ungehemmt (und sicher im Gleichklang mit den Kinopublikum von 1990) über den Tod seiner Feinde wie er es heute nicht mehr tun dürfte: längst wird Hollywood von Spielverderbern beaufsichtigt, gegen die weder Groucho Marx noch Kafka noch der Terminator persönlich etwas ausrichten könnten.

Dieser Beitrag wurde unter Essay, Film, Medienkunde, Medienphilosophie abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert