betr.: 67. Geburtstag von Götz Alsmann (morgen)
Wer schlau ist, kennt das Problem: alle anderen sind dümmer.
Und wer so schlau ist wie Götz Alsmann – im allerbesten Sinne universal gebildet, dazu noch gescheit, geistreich, kreativ und gut gekleidet – der lebt irgendwann in einer Hölle der Verblödung und des allgemeinen Niedergangs.
Wenn man den traurigen Zustand der Welt bedenkt, und er ist unbestreitbar und selbst für weniger schlaue Köpfe wie mich kaum auszuhalten, dann muss man die bei aller Künstlichkeit aufrichtig wirkende Fröhlichkeit dieses Mannes anerkennen. Wiederum ganz aufrichtig und ohne Ironie.
Sie ist ja auch kein Wunder.
Seit Schul- und Studienzeiten erntete Götz Alsmann mit all seinen Projekten große Resonanz, zumeist sogar Bewunderung. Dass er ein sehr fähiger Jazzmusiker ist (wenn wir seine gesanglichen Bemühungen mal beiseitelassen), verschaffte ihm verdienten Respekt, gute Kontakte und komplettierte ihn zum Entertainer. Gemeinsam mit dem schon erwähnten Esprit ließ es ihn frühzeitig zu einem gutbezahlten Moderator des alten öffentlich-rechtlichen Studiosystems aufsteigen – mehr geht nicht in der alten BRD.
Und wieder kommt Götz Alsmanns Schlauheit zum Zuge. Im Gegensatz zu den meisten anderen Prominenten, die allen Grund hätten, sich über das Erreichte zu freuen und es zu genießen, bleibt er (im o.g. Sinne) heiter. Er blamiert sich nicht mit dem substanzlosen Opa-Gemecker schlichterer in ihrer Eitelkeit gekränkter deutscher Größen vom Schlage Götz George, Helmut Kohl, Til Schweiger, Klaus Kinski (Augen auf bei der Berufswahl: Musik ist einfach ein hübscheres Lebensthema als Politik oder der Deutsche Film).
Götz Alsmann im großen Studio mitten in der Stadt (dem WDR-Funkhaus). Meistens hat er einen kürzeren Arbeitsweg. Foto: WDR-Homepage
Wie kommt es dass ein solcher Tausendsassa letztlich mit all seinen Versuchen versandet ist, als Solo-Moderator im Fernsehen Karriere zu machen – was die Krönung seines Ego-Darwinismus gewesen wäre (und ihm hätte so passen können, da gibt es keinen Zweifel)?
Es könnte an seinem unentwegt zur Schau gestellten Zynismus liegen (den er auch jenseits der Bühne nicht ablegt), an seiner vollständigen Unwilligkeit, irgendjemanden neben sich gelten zu lassen. Denn alle anderen Menschen sind ja bekanntlich dümmer als er (und Klavierspielen können die meisten auch nicht!).
Götz Alsmann ist pfiffig genug, die Begrenzungen seines Personalstils nachträglich zu erkennen und ihre Konsequenzen zu parieren. Seinen größten Erfolg im Fernsehen, die furios amüsante WDR-Show „Zimmer frei!“ (1996-2016) musste er an der Seite der tutigen Christine Westermann feiern, was für den geschliffenen Gockel fraglos eine Zumutung war. Er hat unzweifelhaft angenommen, die Kollegin mit seiner sprühenden Bosheit nach wenigen Wochen als überflüssiges Schwenkfutter aus der Sendung heraussitzen zu können. Doch Westermann ließ sich nicht einschüchtern (sie kannte den Kollegen ja schon aus’m Sender) und erwies sich in ihrer Kunst, auch Scharfes abtropfen zu lassen, als Role-Model für Angela Merkel. Außerdem zeigte sich, dass es genau die Mischung dieser beiden Temperamente war, die Götz Alsmanns Nihilismus soweit neutralisierte, dass man ihn vor dem Bildschirm für einen Scherzbold halten konnte. Er ist alles andere als das.
Glauben Sie mir: in einem „Zimmer frei!“ ohne Westermann wäre uns das Lachen gleich wieder vergangen.
Regelmäßig und seit gefühlten Jahrhunderten moderiert Götz Alsmann seine fundierten, aber betont beiläufig präsentierten Jazz-Sendungen im WDR. Nicht erschrecken: es sind keine sektiererischen Formate! Er spricht von „Jazz und Jazz-ähnlicher Musik“ und wendet sich an Leute, „die Easy Listening nicht auf die leichte Schulter nehmen“. Das klänge aus dem Munde jedes anderen kokett, doch bei Götz Alsmann weiß man sich in den besten Händen. Umgeben von der Musik von André Previn, Henry Mancini und Harry Warren hat sein Weltekel plötzlich nichts mehr, woraus er sich speisen könnte. Sogar der Pfeilgiftfrosch am Amazonas wäre ja nicht tödlich, wenn er sich nicht von giftigen Pflanzen ernähren würde; er wäre dann einfach ein bemerkenswert buntes, geradezu hübsches Tierchen. „Im kleinen Studio am Rande der Stadt“, das Götz Alsmann bequem von seiner Villa aus zu Fuß erreichen kann, versiegt seine Giftspritze. Es bleibt nur das Gescheite und Gewitzte übrig. Und seine Liebe zur Musik.
So fügt sich alles wundersam und trefflich: ein weniger prominenter Mensch als er dürfte (regulär und abseits irgendwelcher „Anlässe“) so gute Platten gar nicht im Radio auflegen.