betr.: Digitale Übergriffigkeit
Es liegt schon ein paar Jahre zurück, da habe ich versucht, mir ein Lautsprecher-System zu kaufen, das es gestattet, die Musik, die im Wohnzimmer läuft, zugleich auch in der Küche und auf dem Klo zu hören. Für so etwas wurde schon in den 70er Jahren geworben, und inzwischen hat die Technik ja enorme Fortschritte gemacht. Mich freute der Gedanke, inzwischen würde man nicht mal mehr eine Verkabelung brauchen.
Ich ging also in ein sogenanntes Hi-Fi-Studio. Dort sagte man mir, so einfach sei das nicht. Es müsse alles übers Smartphone laufen. Ich könnte so eine Anlage nicht einfach mit einen Knopf an- und ausschalten und mit einem weiteren die Quelle einstellen – CD-Player, USB-Stick, Plattenspieler. Ich müsse all das dem Gerät mit meinem Handy mitteilen, das natürlich währenddessen mit dem Internet verbunden sei. Für den Fall, dass ich die Anlage niemals ausschalte, würde eine einmal vorgenommene Programmierung immerhin erhalten bleiben.
Ich war entsetzt über diese Umständlichkeit, und auch der Gedanke, beim Auflegen einer Platte digital bevormundet zu werden, missfiel mir.
Als ich den Laden schließlich mit leeren Händen verließ, hielt man mich dort sicherlich für geisteskrank.
Auch spätere Recherchen in weiteren Fachgeschäften und die Konsultation eines Hi-Fi-Profis im Freundeskreis brachten zutage: ohne Live-Schalte in den Weltraum und wieder zurück geht es nicht.
Seither drehe ich wie früher die Lautstärke hoch und öffne die Binnentüren, wenn ich mal in mehreren Zimmern parallel lebe oder arbeite.
Nun lese ich dies und bin ganz glücklich, so stur gewesen zu sein:
Selbstverständlich bilde ich mir nicht ein, dass es mir gelingen könnte, dem Strudel unserer Zeitgeschichte davonzulaufen. Aber bis jetzt ist es mir zumindest möglich, selbst ausgesuchte Musik zu hören, ohne auf die Gnade von Elon Musk angewiesen zu sein.