Words Or Music

Der Jazzmusiker Sebastian Studnitzky gestand gestern in der Sendung „Klassik-Pop-et cetera“ nach dem Ende eines Titels von „Radiohead“, er habe „keine Ahnung, über was da gesungen wird. Ich habe das Phänomen in meinem Gehirn, dass ich in dem Moment, wo Musik gespielt wird, jeden Ton verstehe und genau weiß, was musikalisch abgeht, dann aber so in der Musik gefangen bin, dass ich überhaupt nicht auf die Texte hören kann. (…) Um einen solchen Text zu verstehen, muss ich ihn eigentlich lesen.“

Studnitzky kommt gut mit dieser Einschränkung zurecht und nimmt sie sportlich, für mich wäre sie ein Alptraum. Ich halte Musik für das Größte und wurde von meinem mangelnden Talent, ein Instrument zu erlernen (dieses Problem hat Sebastian Studnitzky freilich nicht), umso weiter in die offenen Arme der Sprache getrieben, meiner zweitgrößten Leidenschaft. Wenn ich nicht gerade Instrumentalmusik höre, erfreue ich mich daran, wie wundersam Worte und Musik eine Verbindung eingehen – besonders gern im Broadway-Musical alter Prägung.
Die oben beschriebene Ein-Ohrigkeit wäre für mich aber noch nicht der größte anzunehmende Ausfall: wie schrecklich wäre es, die Musik nicht zu verstehen?

Ein Bekannter, der sich mit Musicals sehr intensiv beschäftigt und gut auskennt – auch mit den klassischen –, schien mir eine Zeitlang als ein rarer Seelenverwandter, denn es gibt nicht viele Menschen mit dieser Vorliebe. Dann erwähnte er einmal eher beiläufig, ihm ginge es gar nicht um die Musik. Die höre, die verstünde er überhaupt nicht. Dass er immer Cole Porter als seinen Favoriten genannt hat, beruhte vor allem auf dessen Texten, sehr witzigen, hintersinnigen und dennoch gut singbaren Texten, welche mit ebenso großartigen Melodien daherkommen, die bekanntlich auch instrumental funktionieren. Nun muss ein guter Songtext nicht unbedingt satirisch oder im Porter’schen Sinne witzig sein. Das ist eine Möglichkeit von vielen, einen guten Text für einen Song zu schreiben, selbst wenn wir uns auf den Bereich des Theatersongs beschränken. Doch da waren wir beide bereits ganz unterschiedlicher Meinung.

Mein Bekannter fühlt sich auch im Theater sehr wohl (wo er ebenfalls profunde Kenntnisse hat). Wie sich herausstellte, kam er vor allem zum Musical, weil ihm die Atmosphäre im dortigen Auditorium noch mehr zusagt. Wir stellten bald darauf fest, dass uns trotz unserer gemeinsamen Bewunderung für Cole Porter musikalisch rein gar nichts verbindet.
Und ich gehe ganz gewiss nicht wegen des Publikums in eine Aufführung.

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