betr.: Rezension zur Unzeit
In den Film „Triangle Of Sadness“ habe ich seinerzeit keine Kinokarte (und vor allem: keinen freien Abend) investieren wollen – der zweiten Goldenen Palme für Regisseur Ruben Östlund zum Trotz. Das hatte drei Gründe. Zunächst konnte ich ja die TV-Ausstrahlung abwarten, die inzwischen stattgefunden hat. Zweitens hatte mir der letzte Palmen-Gewinner des gleichen Regisseurs gründlich missfallen („The Square“) und mir wieder einmal gezeigt, wie wenig ein sensationeller Erfolg wert ist, wenn seine Konkurrenz in den Augen des Feuilletons nur aus Franchises, Prequels, Sequels und einer Handvoll depressiver Arthaus-Filme besteht. Der dritte Grund meiner Zurückhaltung ist der wichtigste: mein persönliches Vorurteil, das ich aus der Lektüre der zahlreichen Lobeshymnen für „Triangle Of Sadness“ ableitete (ich kann mich nicht an eine einzige kritische Zeile erinnern). Dieses Vorurteil lautet: all die hier gefeierte Satire schmeckt billig, geradezu bigott. Die Reichen sind doof und böse. Und zwar alle, selbst die, die diesen Reichtum nur vorgeben. Das stimmt wahrscheinlich, aber gibt es irgendjemanden, der das noch nicht selbst gemerkt hat – inklusive jener, die ihren Reichtum nur vorgeben? Welcher der begeisterten Kritiker – bleiben wir der Einfachheit halber mal bei ihnen – wäre denn nicht oberflächlich und grausam, wenn es um hübsche Menschen geht, die bereit sind, mit ihm zu schlafen? Wer von ihnen würde denn um der Moral willen verzichten, wenn ihm Luxus und Gewese um die eigene Person gratis geboten würden? Wer greift denn nicht viel zu oft zu seinem Smartphone – außer in den Augenblicken, wo er sich darüber aufregt, das „wir“ das ja alle ständig tun? … Die Sozialkritik, die dieser Film für sich in Anspruch nimmt, besteht ausschließlich aus solchem geistig-moralischen Kleckerkram. Im Aufblasen von Alltagspathologien zur wagemutigen Entlarvung. Im erkenntnislosen Erregen von Neid und Schadenfreude.
Als ich den Film nun sah, hatten sich sämtliche Vorurteile blitzschnell bestätigt, aber ich kam gar nicht dazu, mich dazu zu verhalten. Allzu flott kamen die Gespenster zurück, die mich schon in „The Square“ heimgesucht hatten: eine fehlende Dramaturgie, ein faules Arbeiten bei der Figurenzeichnung (das ist das, was in Krimis „Profiling“ heißt und dort immer wahnsinnig wichtig genommen wird) und das Elend, dass alles zu lang dauert. Vor der nicht endenden Kotz-Orgie war ich schon gewarnt worden, aber anderes zieht noch weitaus länger hin. Traurig, das zu erwähnen, aber wegen dieser unhygienischen Passage beim Käpt’ns Dinner wird der Film ggf. in Erinnerung bleiben.
Zugegeben: „Triangle Of Sadness“ wollte ich im Gegensatz zu „The Square“ bis zum Ende anschauen. Das lag daran, dass einige Szenen wirklich Potenzial haben. Der Streit des jungen Paares im ersten Kapitel des Films ist wirklich gut geschrieben und hätte Freude gemacht, wären die Figuren nicht so durch und durch erbärmlich (was – man ahnt es – auf alle zutreffen wird, die uns noch begegnen werden). Der moralische Sieg der tüchtigen Putzfrau Abigail hätte mich getröstet zu Bett gehen lassen, wäre sie nicht Sekunden vor Ende des Films noch flott zur (möglichen) Killerin aufgebaut worden. Am traurigsten bin ich über das Scheitern der Pool-Szene mit der russischen Millionärsgattin und der Stewardess. Diese Szene ist makellos, wird aber durch das ihr Nachfolgende völlig sabotiert.
Die reiche alte Dame will sich als großzügiger Mensch fühlen und nötigt eine junge Frau aus dem Service dazu, sich zu sofort und ohne Widerrede zu ihr in den Pool zu setzen. Das Mädchen ist völlig überrumpelt und gänzlich hilflos. Das beim Betrachter angestrebte Unbehagen ist unerträglich und nimmt Haneke’sche Ausmaße an (oder – je nach Blickwinkel – die eines italienischen Horrorfilms). Das ist bis hierhin eine großartige Studie in selbstgefälliger Empathielosigkeit.
Leider geht zuletzt die komplette Mannschaft ins Wasser. Das ist nicht nur blödsinnig, es ist typisch Östlund. Auf diese Weise hat der faule Kerl wieder mindestens 25 Minuten Film rumgekriegt, die er sonst mit wohlüberlegtem Drehbuch-Material hätte füllen müssen.