Fast ein Retortenmensch!

betr.: 13. Todestag von Robert Wise / geplantes Comeback von „Doc Savage“

Doc verabscheute Leute, die ihre Fragen nur stellten, weil sie fürchteten, ihnen gehe der Gesprächsstoff aus.

Hollywoods Grabung nach klassischen Superheldenstoffen zu Zwecken der Verblockbusterung dringt in eine tiefere Schichtstufe vor: Dwayne Johnson soll bald als „Doc Savage“ zu sehen sein! Das ist der erste Versuch, diese Figur auf die Leinwand zu bringen, seit der Allround-Regisseur Robert Wise 1975 damit scheiterte (siehe Abbildung am Ende des Artikels). Die Vorlage ist diesen neuen Versuch sicherlich wert.
„Doc Savage“ erlebte sein erstes und initiatives Abenteuer auf dem Höhepunkt der Großen Depression im März 1933: „The Man Of Bronze“ erschien als Pulp* bei „Street & Smith“. Der Bronzemann residierte zwar im 86. Stockwerk eines Wolkenkratzers in Manhattan (bei dem die zeitgenössischen Leser an das Empire State Building denken mussten), bekämpfte aber Ganoven, irre Wissenschaftler, monströse Tierwesen und überirdische Phänomene in aller Welt (und darunter). 165 der insgesamt 181 abgeschlossenen Romane, die alle unter dem Verlagspseudonym „Kenneth Robeson“ erschienen, schrieb Lester Dent (1904- 1959), der noch unter diversen anderen Pseudonymen arbeitete.

Cark Savage jr. hat keine Superkräfte, steht aber auf halbem Weg zum Kunstmenschen: schon als Kind wurde er in die Hände von Wissenschaftlern gegeben, die seine körperliche wie auch seine geistige Entwicklung beeinflussten.
Nun ist er eine bemerkenswerte Erscheinung, geradezu ein Riese. Unter der bronzefarbenen Haut seines Halses und seiner Hände zeigen sich straffgespannte Sehnen, spielen schwellende Muskeln, die auf außergewöhnliche Kräfte schließen lassen. Sein Haar, das wie ein schimmernder Helm glatt anliegt, ist nur wenig dunkler als sein Teint. Mit seinen scharfgeschnittenen Gesichtszügen und der riesigen, aber vollendet proportionierten Gestalt (auf den Cover-Illustrationen von James Bama wirkt er zuweilen etwas bullig) bietet er Freund und Feind einen imposanten Anblick. Seine Augen erinnern an unergründliche, klare Seen, auf denen Blattgold schwimmt, von einem leichten Wind in ständiger Bewegung gehalten. Im Alltag soll er eine Vorliebe für braune Anzüge haben, aber dort treffen wir ihn selten an.
Doc ist ein universalgebildeter Wissenschaftler, in allen erdenklichen Sportarten geübt und von großer Fingerfertigkeit, so dass er in der Not die jeweils verfügbaren Materialien zu nützlichen Hilfsmitteln oder Waffen umbasteln kann – wie später „MacGyver“.

#22_Die Monsterbande A+B30 Jahre liegen zwischen diesen Covers von Erstausgabe und Neuauflage des Romans „The Monsters“. Die Szene ist im Text weniger dramatisch als es die Illustrationen von Walter Martin Baumhofer und James Bama befürchten lassen: Doc Savage zieht mit den Knien einen Verstorbenen aus dem Sumpf (Street & Smith Publications / Erich Pabel Verlag, Rastatt).
Doc hat von seinem Vater Clark Savage sr. – gemeinsam mit dem Auftrag, dem Guten zum Sieg zu verhelfen – einen Maya-Goldschatz in den Bergen Mittelamerikas geerbt, der ihm praktisch unbegrenzte finanzielle Reserven bietet (und der in #28 in Gefahr gerät)***.

Die Serie nimmt nicht nur den Comichelden „Superman“ (um 5 Jahre), sondern auch James Bond vorweg (um 19 Jahre). Doc Savage liegt konzeptionell ziemlich genau zwischen dem raumgeborenen Alleskönner vom Planeten Krypton und dem robusten Geheimagenten Staatsdiener 007 – abzüglich jeglicher sexueller Interessen (- der Verlag verbat seinen Autoren „erwachsene Sachen“). In Ausgabe 24 ist Doc mit einem Spezialauto unterwegs: „Nur eine sorgfältige Untersuchung hätte gezeigt, dass der Wagen gepanzert war und Reifen aus Vollgummi hatte. Eingebaute Düsen versprühten auf Knopfdruck Nebel oder Gas.“

Lester Dent ist weiß Gott kein großer Erzähler, aber unübertroffen in der Entwicklung und Namensgebung (!) immer neuer eleganter, genialer oder widerwärtiger Schurken.** Die Superhelden-Comics, die der Serie 1949 endgültig den Rang ablaufen sollten, haben ihm viel zu verdanken. Bereits „Superman“ übernahm von Doc Savage den Namen (Doc wurde in der Verlagswerbung als „Superman“ bezeichnet) und das arktische Geheimlabor mitsamt der Bezeichnung „Festung der Einsamkeit“ (#16). Bei „Batman“ lebt die Idee des idealistischen Millionärs wieder auf, der fehlende Superkräfte durch Erfindungsreichtum, Training und wilde Entschlossenheit ausgleicht.

Während Superhelden heute als einsame Wölfe angelegt werden (solange sie sich keinem prominenten Team zugesellen), hat „Kenneth Robeson“ Doc Savage fünf Assistenten zur Seite gestellt, die als skurrile Pathosbrecher für den allzu strahlenden, ein wenig spießigen Übermenschen dienen. (Es sollte fast 30 Jahre dauern, bis das schöne Prinzip, sich als ernsthafter Weltretter nicht zu ernst zu nehmen, einen Nachahmer fand: Stan Lee.) Das Team hat gelegentlich den großen Auftritt des Meisters vorzubereiten. Doc Savage ist eine Berühmtheit, aber es kursieren – anders als heute üblich und unvermeidbar – kaum Bilder von ihm. Er schwimmt in einem Meer aus Gerüchten und Legenden, ist eine Mischung aus Iron Man, Leo Kirch und dem Ungeheuer von Loch Ness. Meistens geht seinem Auftauchen ein raunendes Geflüster voraus: „Mucho hombre! Mucho hombre! Doc Savage!“ heulte die Menge in #47. Seine Helfer bilden dann die Vorhut und orchestrieren diese Erwartung.

Docs Gefährten sind – wie auch die wechselnden Nebenfiguren – so effektvoll und verschroben, dass es etwas zuviel des Guten ist, sie in jeder Folge fast alle auftreten zu lassen. Hin und wieder ist noch Docs Cousine Pat mit von der Partie.
Wenn diese verschworene Gemeinschaft auch keinen Namen hat, so ist sie doch in allen Ländern der Erde bei Schurken jeder Gattung und Schattierung gefürchtet. Ihre Bemühungen, der gerechten Sache zum Sieg zu verhelfen, ist für sie mehr Berufung als Beruf, denn auf finanzielle Einkünfte sind sie nicht angewiesen. Jeder von ihnen ist eine Kapazität auf seinem wissenschaftlichen Spezialgebiet und entsprechend unabhängig.

Oberstleutnant Andrew Blodgett Mayfair wird von seinen Gefährten nur „Monk“ (Mönch) genannt. Wer ihn zum ersten Mal sieht, würde den einssechzig großen, „unglaublich hässlichen“ Kerl für einen zweihundertfünfzig Pfund schweren Gorilla halten, denn die Arme hängen ihm bis über die Kniekehlen herab. Seine ledrige Haut ist mit rostbraunem, krausem Borstenhaar bedeckt. Er besitzt eine niedrige, fliehende Stirn, einen breiten Mund (immerhin mit einem „prachtvollen Gebiss“), winzige Augen, kleine abstehende Ohren und eine Nase, die offensichtlich mehrfach gebrochen war. Man sieht ihm wahrlich nicht an, dass er einer der größten Industriechemiker der Vereinigten Staaten ist. Monk kämpft gern laut, und „wenn seine Stimme sonst auch hoch klingen mochte, beim Kämpfen hörte es sich an, als käme sie aus dem vorderen Schornstein der ‚Queen Mary‘“ (#35). Oftmals hat Monk sein hochbeiniges Maskottschwein Habeas Corpus bei sich, ein Tier mit großen Flügelohren und einer langen, spitzen Schnauze, das in einigen der Taschenbuch-Übersetzungen „Piggy“ heißt und auch als Spürhund eingesetzt wird.

Brigadegeneral Theodore Marley Brooks – einfacher „Ham“ genannt – ist der Rechtsanwalt der Truppe, ein Summa-cum-laude-Absolvent der Harvard-Universität. Er ist von Modejournalen schon fünfmal hintereinander zu einem der bestangezogenen Männer New Yorks gewählt worden und mit seiner Dressman-Figur überhaupt der Traum jedes Schneiders. Sein scharfgeschnittenes Gesicht hat den beweglichen Mund eines berufsmäßigen Redners.
Wie später der TV-Serienheld John Steed, trägt auch Ham einen Stockdegen, dessen Anwendung er auf dem Fechtboden Harvards geübt hat.
Auch Ham hat ein Haustier, das ihn hin und wieder zu seinen Einsätzen begleitet: den Affen Chemistry. Der Autor legt sich auf die Rasse nicht fest: es könnte sich um eine Kreuzung zwischen einem Schimpansen und einem Zwerggorilla handeln.

Ham Brooks ist seinem ungleichen Kollegen Monk Mayfair, mit dem er unentwegt Abfälligkeiten austauscht, in herzlicher Feindschaft verbunden. Er nennt ihn gern „du fehlendes Bindeglied menschlicher Entwicklungsgeschichte“ und wird dafür als „elender Winkeladvokat“ beschimpft. Wenn es hart auf hart kommt, retten beide einander freilich regelmäßig das Leben. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man ihre gemeinsamen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg berücksichtigt, der damals noch „der große Krieg“ genannt wurde.

Ham+Monk
Die Einzelheiten der Hassliebe zwischen Ham und Monk sind im internen Glossar verbindlich festgelegt. (Condé Nast Publications Limited)

Der weltbekannte Ingenieur Colonel John Renwick alias „Renny“ hat Fäuste wie Boxhandschuhe und eine Stimme, die jedem, der sie zum ersten Mal hört, wie Donnergrollen in einer Höhle vorkommen muss. Er ist fast ebenso groß wie Doc Savage und erheblich schwerer. Und genau wie der kann er mit Frauen nicht viel anfangen. Der schmale Mund ist ständig griesgrämig verzogen, denn in Rennys puritanischem Gesicht spiegeln sich alle Gefühle umgekehrt wieder – was spätere Comicleser an Happy Hogan denken lässt, den treuen Chauffeur von Iron Man. Sein Standardausruf lautet: „Heiliges Kanonenrohr!“

William Harper Littlejohn, genannt „Johnny“ ist noch größer als Renny, aber sehr dünn – immer wieder wird beschrieben, wie faltig ihm das hochwertige Jackett von den Schultern hängt. An einer schwarzen Schnur baumelt eine Art Monokel: ein Vergrößerungsglas, das ihm bei seiner Arbeit als weltweit anerkannter Geo- und Archäologe gute Dienste leistet. Irgendwann lässt er es sich aus Gründen der Handlichkeit in eine unförmige Fensterglasbrille einarbeiten. Das dicke Glas trägt er dann über dem linken Auge, das im Ersten Weltkrieg erblindet ist.

Major Thomas J. Roberts ist entgegen seinem Spitznamen „Long Tom“ nur mittelgroß, außerdem schmächtig und auch bei bester Gesundheit besorgniserregend fahl und käsig. Wer sich mit ihm auf eine Prügelei einlässt, staunt jedoch über seine Kraft und Wendigkeit. Long Tom ist das Elektronik-Genie der Mannschaft.

Diese fünf Herren können sich mit Doc und untereinander in der Sprache der mittelamerikanischen Republik Hildalgo unterhalten, aus der Docs Reichtümer stammen. Sie dient ihnen als abhörsichere Geheimsprache.

Docs Cousine Patricia hat die selben goldflackernden Augen wie er und auch die sonnengebräunte Haut des Bronzemannes, ist groß und gut gewachsen. Pat hat einen ähnlichen Hang zu Abenteuern wie er und versucht seit Jahren, in seine Crew aufgenommen zu werden – vergeblich, denn das ist ja schließlich „nichts für Frauen“. Darüber setzt sich Pat aber grundsätzlich hinweg. Wenn sie nicht auf Abenteuer auszieht, betreibt sie an der Park Avenue einen exklusiven Schönheitssalon mit chirurgischer Abteilung, den Doc ihr eingerichtet hat: die „Patricia Incorporated“. Hin und wieder wird sie aber auch zur Unterstützung herangezogen.

Zwischen den Abenteuern bewirtschaftet Doc Savage außerdem eine streng geheime Einrichtung, die heutigen Lesern – nach den historischen Abgründen der 30er Jahre, ihrer Folgen und ihrer literarischen Aufarbeitung durch George Orwell – nicht mehr vermittelbar wäre und die sicher auch in der aktuellen Filmversion fehlen wird: das Institut.
Es liegt im Norden des Staates New York und ist nur Doc, seinen Helfern und den dort tätigen Wissenschaftlern und Vollzugsbeamten bekannt. Die „Studenten, Patienten und Schüler, die in das Institut kamen, wussten nicht, wo sie sich befanden, und erfuhren es auch nach ihrer Entlassung nicht.“ Es sind gefasste Verbrecher, die dort zu „ehrbaren Bürgern“ umprogrammiert werden.
Die Autoren der Serie waren sich über die Selbstjustiz-Aspekte dieser Organisation bereits im Klaren. („Doc fürchtete einen handfesten Skandal.“) In #24 geht der eigentliche Konflikt von ihren Mauern aus. Ein Mitarbeiter gerät außer Kontrolle und wird zum „Zernierer“, der üble Elemente per Fernbedienung zur Strecke bringt. Er „arbeitet mit einer Maschine, die eine Art Ultrakurzwellen ausstrahlt (…) Die Wellen reagieren auf Gehirnströmungen …‘“ Der Forscher hat entdeckt, „dass verbrecherische Gedanken andere magnetische Ströme aussenden (…) als ehrliche Absichten. (…) Die Maschine wirkt auf das Gehirn und zerstört es; dass dabei die dem Opfer die Augen aus dem Kopf quellen, ist ein gewiss unbeabsichtigter Nebeneffekt.“
Das Finale dieser Episode lässt den Leser die moralische Dimension weiter ausloten, wenn Monk fragt: „wenn Sidney Lorrey die Maschine bedient hat, hatte er doch selbst verbrecherische Gedanken – immerhin ging es um Mord. Wieso hat die Maschine ihn nicht auch getötet?“ Sogar Doc muss passen.

Die letzten Abenteuer der Serie wandten sich vom Phantastischen ab und mehr der klassischen Detektivgeschichte zu, doch ihr Niedergang war nicht mehr aufzuhalten. Zu sehr hatte sich die Medienlandschaft gewandelt – zu Beginn hatte es ja noch nicht einmal Superhelden-Comics gegeben.
Nach ihrem Ende erstanden Doc Savage und seine Gefährten 1966 in einem einmaligen Comic-Abenteuer wieder auf und erlebten den Start einer kompletten Neuauflage sämtlicher Romane.

Giant Size SM3_DS Movie Issue

1975 folgte ein Spielfilm mit dem Tarzan-Darsteller Ron Ely, der sein erklärtes Ziel verfehlte, der Beginn einer Filmserie zu sein. Im selben Jahr unternahm Spider-Man im Marvel-Comic „Verbindung zum Gestern“ eine Zeitreise ins Jahr 1934 und tat sich mit Doc Savage & Co. zusammen („The Yesterday Connection!“ in „Giant-Size Spider-Man #3“, deutsch in „Marvel Comic Stars“ Nr. 8, Condor Verlag 1982. Die Geschichte ist hier nachzulesen: http://www.supermegamonkey.net/chronocomic/entries/giant-size_spider-man_3.shtml).
Demnächst wird also Dwayne Johnson den Bronzemann im Kino wiederbeleben.

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Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2014/09/29/ueberflieger-von-ganz-unten-was-ist-pulp/
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Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2014/10/01/hollywood-noch-zu-retten/
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Am 12. Oktober, dem 114. Geburtstag von Lester Dent, folgt an dieser Stelle die Liste der deutsch erschienen „Doc Savage“-Abenteuer mit Inhaltsangabe.

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