Vogsphere zur Unzeit

betr.: 21. Todestag von Douglas Adams

In meiner Halbstarkenzeit war Douglas Adams unter männlichen Halbstarken ein wirklicher Kultautor. Ich las „Per Anhalter durch die Galaxis“ (den ersten Band einer beliebten Trilogie) immerhin bis zu der Stelle, den mir ein sehr lustiger Freund begeistert nacherzählt hatte: der Held Ford Prefect wird von einem Alien – einem Vogonen – an Bord eines Raumschiffs gefoltert. Der Vogone trägt ihm ein bescheuertes Gedicht vor und – damit nämlich nicht genug! – steigert dessen Wirkung noch durch Reim-Verstärkungs-Dioden und Lyrik-Verzerrer. Andreas, der witzige Adams-Fan, lief zu großer Form auf, ich habe Tränen gelacht.
Ich sagte mir: lauf und kauf. Ich lief und kaufte, und Tage später erreichte ich Seite 65: Kalter Schweiß stand Ford Prefect auf der Stirn und rann um die Elektroden herum, die an seinen Schläfen befestigt waren. Die Elektroden waren mit einer ganzen Batterie elektronischer Apparaturen verbunden – Bildverstärkern, Rhythmusmodulatoren, Alliterationsverwertern und Gleichniskippen -, die alle dazu dienten, das Erlebnis des Gedichts zu steigern und sicherzustellen, dass auch nicht die kleinste Nuance des dichterischen Gedankens verlorenging.
Das ist wunderschön, keine Frage, aber nacherzählt war es viel komischer gewesen.
Der Vogone fing an zu lesen – eine mistige kurze Passage seines Machwerks.  Besagte Passage hatte Andreas sogar auswendig drauf: Oh zerfrettelter Grunzwanzling / dein Harngedränge ist für mich / wie Schnatterfleck auf Bienenstich. / Grupp, ich beschwöre dich, mein punzig Turteldrom. / Und drängel reifig mich mit krinklen Bindelwördeln / Denn sonst wird ich dich rändern in deine Gobberwarzen / Mit meinem Börgelkranze, wart’s nur ab!
(Ich merke gerade, dass ich sie auch noch auswendig kann …) Vielleicht war ich enttäuscht, dass der Lyrik-Vortrag hier schon zuende war. Vielleicht hat mich auch die Information, die Vogonische Dichtkunst sei lediglich die drittschlechteste im Universum, ein wenig enttäuscht.
Am meisten war ich von mir selber enttäuscht, denn ich musste feststellen, dass der wirklich witzige Stil von Douglas Adams bei mir auf der Langstrecke nicht funktionierte. Die guten Ideen waren zu erratisch, zu kleinteilig, fügten sich in meinem Kopf nie zu einem nachvollziehbaren Ganzen. Es war wie ein kosmischer Zettelkasten.
Dennoch – bis heute fallen mir immer wieder Formulierungen ein, die ich verdächtige, auf jenen Seiten 1 bis 66 gelesen zu haben.

Ein ähnliches Erlebnis hatte ich damals mit dem dritten „Indiana Jones“-Film. Der sei nun aber wirklich was für mich, beriet man mich, der ich für diese Art von Jungskino noch nie etwas übrig hatte. Sean Connery und Harrison Ford als Vater und Sohn, das sei herrlicher Slapstick. Atemlos und sich vor Lachen schüttelnd beschrieb mir jemand die Szene, in der die beiden gefesselt sind und bei dem Versuch, die Stricke durchzukokeln, das ganze Haus niederbrennen. Das hörte sich großartig an. Normalerweise vergesse ich meine Erwartungen sofort, wenn ich im Kino sitze (die guten wie die schlechten) und lasse mich auf das ein, was ich sehe – wenn ich es denn hinbekomme.
In diesem Fall hatte der Film keine Chance.

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Eine Antwort zu Vogsphere zur Unzeit

  1. Peer Kreimendahl sagt:

    Zufälle gibt’s: da hab‘ ich sowohl zu Douglas Adams als auch zum „letzten Kreuzzug“ sehr persönliche Wendungen. Die dysfunktionale Langstrecke kann ich gut nachvollziehen: ich empfehle statt dessen eines seiner Bücher, welches Douglas Adams selbst sehr viel mehr am Herzen lag als die „Anhalter“-Bücher: „Last Chance to See“, eine Reise zu bedrohten Tierarten (Ebenso lesenswert, die Fortsetzung von Stephen Fry, Lustige Randnotiz: Adams und Fry, die Besitzer der Apple Macintoshs Nr #1 und #2 in England).
    „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ konnte ich – zu der Zeit im Kino der Mutter meines besten Freundes arbeitend – mit 250 Kinobesitzern in der Deutschen Erstaufführung im UIP-Palast in Frankfurt sehen. Nie wieder saß ich in einem Kinosaal mit mehr Energie: knisternde Erwartung, viel Szenenapplaus („Ah, Venedig!“) und unglaubliche Begeisterung; alle blieben bis zur letzten Zeile des Abspanns sitzen. Bis heute schafft es der Film, mich in die Stimmung dieses Kinosaals zurückzuversetzen.

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