John Cheever wiederlesen

Betr.: 40. Todestag von John Cheever

In den Nullerjahren wurde für kurze Zeit der amerikanische Schriftsteller John Cheever wiederentdeckt. Literaturstars wie John Updike, T. C. Boyle und Dave Eggers priesen ihn als wichtigen Impulsgeber, und der Showrunner der nostalgischen Serie „Mad Men“ nahm immer wieder bezug auf ihn als herausragenden Chronisten der amerikanischen Mittelklasse.
Was können wir zur Wiederbelebung dieses leider verflogenen feuilletonistischen Trends zur Hand nehmen? Zunächst einmal die Buchreihe, die der DuMont Verlag von 2007 bis 2012 in neuer Übersetzung vorgelegt hat:

1946 – 1978
Der Schwimmer – Kurzgeschichten
The Stories Of John Cheever

Es sind die Stories, die John Cheever zu einem der wichtigsten Autoren der amerikanischen Literatur gemacht haben. Von der internationalen Literaturkritik gepriesen, wurde er zum verehrten Vorbild für Autorenkollegen. Der Autor schrieb im Vorwort der 1978 erschienenen Sammlung: „Diese Stories sind seit meiner ehrenhaften Entlassung aus der Armee am Ende de Zweiten Weltkriegs entstanden. Manchmal wirken sie wie Geschichten aus einer längst untergegangenen Welt, als New York noch eine vom flirrenden Licht zweiter Flüsse durchwirkte Stadt war, als man aus dem Radio das Benny-Goodman-Quartett hörte und als so gut wie jeder einen Hut trug. Hier treten die letzten aus jener Generation von Kettenrauchern auf, die morgens alle Welt mit ihrem Gehuste weckten, die sich auf Cocktailparties regelmäßig zudröhnten, sich voller Wehmut nach Liebe und Glück sehnten und deren Götter so alt waren wie Ihre (wer immer Sie sein mögen) und meine Götter.“
Lakonisch, präzise, skurril und witzig portraitieren diese Geschichten nicht nur ihre Zeit, sondern erzählen die ganze Comédie Humaine.
Zur Titelgeschichte der deutschen Ausgabe dieser Sammlung wurde „Der Schwimmer“* gewählt, der erstmals 1964 im „New Yorker“ erschien.

1957
Die Geschichte der Wapshots
The Wapshot Chronicle

Leander Wapshot, Kapitän eines kleinen Vergnügungsdampfers, hat schriftstellerische Neigungen und ist nie um eine Lebensweisheit verlegen. Seine Frau Sarah glänzt schubweise durch damenhafte Tüchtigkeit. Die Söhne Coverly und Moses bestehen mehr schlecht als recht die amerikanischen Abenteuer des Erfolgs und Versagens. Alles in allem eine Familie, die mit ihren standesgemäßen Scheuklappen über ihren drohenden Verfall hinwegsieht.
Dieser Roman ist das Gegenstück zu einer erhabenen Familienchronik.

1964
Der Wapshot-Skandal
The Wapshot Scandal

Es ist die Zeit des Kalten Krieges, die Angst vor der Atombombe ist allgegenwärtig, da verschlägt es die Wapshots auf der Flucht vor der Steuerfahndung aus dem vertrauten neuenglischen St. Botolphs hinaus in die Welt der Raketenbasen, Autobahnen, Supermärkte und Satellitenstädte. Und darauf sind sie nicht vorbereitet. Ihre Reise durch den Südwesten der USA und nach Europa konfrontiert sie mit den Tücken der Gegenwart. Die Wapshots scheitern auf eine für den Leser vergnügliche Weise.

1969
Die Lichter von Bullet Park
Bullet Park

Bullet Park ist eine kleine aufgeräumte Vorstadt im Umland von New York mit Vorgärten, getrimmtem Rasen, einer kleinen Bahnstation mit leeren Sitzbänken, weißen Häusern, ein paar Cocktailparties. Bullet Park scheint der ideale Wohnort für Paul Hammer und seine anspruchsvolle Gattin zu sein. Ein Makler verkauft ihnen das Haus der Witwe Heathcup, deren Mann sich gerade das Leben genommen hat, und bald stellen die beiden sich dem Pfarrer vor. Was Paul Hammer nur zu gut weiß: In Bullet Park ist nichts wie es scheint …

1975
Willkommen in Falconer
Falconer

Ezekiel Farragut erlebt die Hölle auf Erden: Der drogensüchtige Universitätsdozent kommt ins Gefängnis Falconer, nachdem er mit einem Schürhaken seinen Bruder erschlagen hat. Wer aber von ihnen war Kain, wer Abel?
In der brutalen, trostlosen Gefängniswelt erlebt der verheiratete Farragut unerwartet eine intensive Liebe zu einem Mitgefangenen. Er lässt seine Kindheit und Ehe Revue passieren und erkennt, wie umfassend seine Unfreiheit ist und schon immer war. Bald hat der Ex-Junkie, der seiner täglichen Methadon-Ration ruhelos entgegensieht, nur noch einen Gedanken: den der Flucht …
Cheever, der einige Jahre in Sing Sing unterrichtete, erzählt hier nicht ohne Heiterkeit von der Wertschätzung, die uns am besten gelingt, wenn ihr Gegenstand verlorengeht.

1977
Ach, dieses Paradies
Oh What A Paradise It Seams

Lemuel Sears ist ein Geschäftsreisender aus New York. Als passionierter Naturfreund besucht er hin und wieder ein idyllisches Fleckchen in Connecticut, um auf dem Beasley-Teich Schlittschuh zu laufen. Damit soll es plötzlich vorbei sein, denn der Teich soll zur Mülldeponie werden. Lemuel will dies mit allen Mitteln verhindern. Von der Rettung „seines kleinen Paradieses“ können ihn auch nicht die Affäre mit der kapriziösen Renée und andere Begegnungen abbringen. Bei seinem Kreuzzug gegen die skrupellosen Umweltverschmutzer erhält er sogar überraschende Unterstützung …
Der erst kurz vor Cheevers Tod veröffentliche Roman baut auf der Idee auf: Egal wie moralisch wir zu handeln glauben, wir handeln stets selbstsüchtig.

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* Siehe dazu: https://blog.montyarnold.com/2017/10/20/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-48-der-schwimmer/

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