Die 17jährige Muriel Stark wird nachts in einem Hauseingang erstochen, wo sie vor einem Wolkenbruch Schutz gesucht hatte. Die Augenzeugin, ihre 15jährige Cousine Patricia Lowery, kommt völlig verstört und mit Schnittwunden auf die Polizeiwache und meldet den Vorfall. Detective Carella beschließt, den Täter in den Reihen früherer Sexualstraftäter zu suchen. Doch dann widerruft Patricia ihre Aussage und belastet ihren 19jährigen Bruder Andrew.
Carella erfährt bei seinen Ermittlungen, dass Muriel ein Tagebuch geführt hat. Als es ihm gelingt, es aufzutreiben, lernt er nicht nur das Opfer besser kennen, sondern auch ihren eifersüchtigen Liebhaber: ihren Cousin Andrew. Muriel ist nach dem Tode ihrer Eltern mit Andrew und Patricia aufgewachsen wie mit Geschwistern. Das Elternhaus ist streng religiös, wenn auch nicht fanatisch. Tiefer und tiefer führt die Spur Carella in das Leben der drei Teenager hinein …
„Blood Relatives“ bzw. „Les Liens de Sang“ ist ein Film, der im Schaffen seines berühmten Regisseurs Claude Chabrol völlig aus dem Rahmen fällt. Die französisch-kanadische Produktion von 1977 weist alle Vorzüge von dessen Handschrift auf, lässt jedoch die Stereotype vermissen, die praktisch alle übrigen Chabrol-Filme tragen – und nicht immer zu ihrem Nutzen.
Der Film, ein solider Thriller alter Schule, basiert auf einem Roman von Ed McBain*. Sein Held Detective Carella wird dafür mitsamt dem „87. Revier“ nach Montréal umgesiedelt. Carella wird von Donald Sutherland verkörpert, dessen dämonische Physiognomie den Betrachter auf angenehme Art von der Frage ablenkt, wer den Mord begangen hat (wie ein Kritiker trefflich bemerkte), so dass man sich auf die feine Milieuschilderung konzentrieren kann.
Was dem Film (neben den ständigen Sexszenen, die im französischen Kino obligatorisch sind) gottlob abgeht, ist Chabrols gewohnte Darstellung auf der oberen Mittelschicht. Die Lowerys machen die üblichen Fehler, sind aber nicht als lächerliche Karikaturen angelegt. Besonders die zarte Teenagerliebe wird mit großem Feingefühl präsentiert, sogar die Komik, die diesem komplizierten Lebensabschnitt anhaftet. Der Umgang der Geschlechter wird realistisch abgebildet – so wie das heute kein Film mehr wagen dürfte: die kleinen Gesten beim Umgang des freundlichen Ermittlers mit seiner wichtigsten Zeugin oder die des biederen und von seiner Ehe gelangweilten Chefs mit seiner neuen Angestellten Muriel – kaum zu glauben, dass wir in diesem Mr. Armstrong David Hemmings vor uns haben, den virilen Fotografen aus Antonionis „Blow Up“ …
Sogar die falsche Fährte zu Beginn wird für großartige Schauspielerei genutzt. Donald Pleasence ist einer der Sittenstrolche, die zum Verhör gebeten werden, und das führt uns zu einem der stärksten Auftritte des Films: Tammy Tucker als sein frühreifes Alibi.
Offensichtlich hat Claude Chabrol hier versucht, sich für den internationalen Markt zu empfehlen. Es ist unbegreiflich, das ihm das mit diesem Film nicht gelungen ist.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2015/07/06/angst-und-schrecken-in-isola/
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