betr.: 125. Geburtstag von Kurt Weill (morgen)
Im Kulturradio wirft ein Datum seine Schatten voraus!
Eine Ö1-Moderatorin stellt zu Beginn ihrer Sendung die obligatorische Frage: „Und der Haifisch, der hat Zähne … Wer summt hier nicht gleich mit? Aber wer weiß auf Anhieb, wer diesen Song geschrieben hat?“ Mit ein klein wenig Ironie würde ich antworten: die meisten dürften den Namen wissen. Aber den Wenigsten von diesen Meisten würde ein zweiter Weill-Titel einfallen … zumindest „auf Anhieb“.
Der Kurt-Weill-Biograph Jürgen Schebera (geboren 1940 in Gablonz) hat dieser Tage im hr-Interview* zugegeben, dass die Schwierigkeiten, nach dem Krieg etwas über seinen Gegenstand zu erfahren, in der DDR noch mieser waren als in der BRD. Das ist insofern verblüffend als Weill neben Dessau und Eisler der wichtigste Komponist im Werk des DDR-Vorzeige-Dramatikers Bert Brecht gewesen ist. Andererseits gab es aber eben auch Dessau und Eisler, die sich beide propagandistisch ausbeuten ließen, während Weill es vorgezogen hatte, am Broadway Karriere zu machen, statt sich von den Nazis totschlagen zu lassen. Das hat man ihm – in ganz Deutschland – wohl verübelt, denn auch in der wiedervereinigten Republik wird dieser Faszinierende Alleskönner bis heute auf seine Brecht-Vertonungen reduziert.
Wenn jemand aus dem Kreis unserer Kulturschaffenden behauptet, er „liebe“ Kurt Weill bzw. seine Musik, ist es sehr leicht, ihn bei einer Lüge zu ertappen. Kennt sich dieser mit Weills amerikanischen Arbeiten gar nicht aus, geht es ihm offensichtlich weniger um dessen Kunst als darum, sich dem bildungsbürgerlichen Klischee anzuschließen, in dem Weill als Brecht-Anhängsel (und nur als solches) einen ehrenvollen Platz hat. Dann wurde in einem Aufwasch gleich ein weiterer Betrug mitbegangen und allzuoft gerne mitgeglaubt: der des angeblichen Philosemitismus.
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* Hier nachzuhören: https://www.hr2.de/podcasts/menschen-und-ihre-musik/zum-125-geburtstag-von-kurt-weill–juergen-schebera-weill-biograf,podcast-episode-139040.html