Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier wiederzugeben.
Die Fantastischen Vier auf dem deutschen Comicmarkt
von Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/ (Fortsetzung vom 5.8.2019)
Teil II
Die Entwicklung der FV im Williams-Verlag
(1974-1978)
Schon während ihrer Hit Comics-Zeit (1966-1973) war die Serie „Die Fantastischen Vier“ von Auslassungen, Falschnummerierungen und Nichteinhalten der Originalreihenfolge infolge Druckortwechsels, Materialmangels und Verlagsumstrukturierung geprägt. Dies sollte sich bei Willliams, zumindest in der Anfangsphase, nicht sonderlich ändern. Ab der sechsten Monatsproduktion (FV Nr. 11 und 12) verlagerte man den Druckort von Italien nach Deutschland, was bei den meisten Williams-Serien nicht nur zu einer kurzzeitigen Lücke führte (z.B.: FV, Hulk, Rächer), sondern durch die Verwendung eines besseren und damit teureren Papiers eine Reduzierung des Heftumfangs zur Folge hatte. Nun waren Druck und Farben zwar brillanter, doch verzichtete man auf das bisher benutzte dickere Hochglanz-Umschlagpapier. Im Klartext: Es fehlten vier Seiten. Da man dagegen auf den redaktionellen Teil und die Infoseiten nicht verzichtete, rückte man den Comics mit der Schere zu Leibe. (Unverschämterweise druckte man auf der vorletzten Seite der 6. Produktion eine ganzseitige Anzeige darüber ab, dass sich „nichts“ in den Comics ändern würde.)
Nicht nur die FV, die oftmals ein bis zwei Seiten an Schnitten und Umlayout über sich ergehen lassen mussten, waren davon betroffen. Hart traf es auch „Spider Man“ und dessen Zweitstory-Helden „Aquarius“ („Sub-Mariner“). Bei letzterem konnte es vorkommen, dass die ursprünglich zwölfseitigen Geschichten letztlich nur noch einen Umfang von neun Seiten hatten. Besser erging es dem Hulk und Thor, die weiterhin ungekürzt durch ihre zehn- bzw. dreizehnseitigen Abenteuer aus „Tales To Astonish“ und „Journey Into Mystery“ hüpfen und hammerschwingen durften.
Wie im Spielfilm wurde meistens bei den ach so brutalen Kampf- und Actionszenen gekürzt. (Komisch eigentlich, dass in Deutschland noch niemand auf die Idee kam, bei „Asterix“ die gewaltverherrlichenden Kampfszenen zwischen den Römern und Obelix – herauszuschneiden.) Diese Kürzungen fallen bei genauerem Betrachten der Seitenzahlen auf. In den US-Heften sind die Kästchen dafür immer unten rechts, die amerikanische Eins besteht nur aus einer einzigen kurzen Linie und die Sieben hat keinen Querstrich. Reste der Originalseitenzahlen finden sich durchaus auch mal inmitten einer ummontierten Williams-Seite wieder. Es ist anzunehmen, dass einige der Kürzungen aus den (zugunsten von zusätzlicher Werbung) um zwei Comicseiten gekürzten Nachdrucken der Reihe „Marvel Greatest Comics“ bzw. „Marvel Collector’s Item Classics“ übernommen wurden. Doch sicherlich lässt sich nicht alle Verantwortung für die Veränderungen in den deutschen Heften auf die Amerikaner abwälzen.
Der Condor-Verlag schaffte es später übrigens, einige dieser Storys ohne (Bild-) Kürzungen in den ersten FV-Taschenbüchern und Alben abzudrucken. Doch auch hier scherte man sich wenig um die Originalreihenfolge und griff bei bisher ungekürzt veröffentlichten Geschichten zur Schere (z.B. USFF # 11 in FV-Tb Nr. 2 und FF # 101 in „Die Spinne“-Beilage zu Nr. 94).
Eine weitere Veränderung bei Williams jedenfalls war ab der 15. Monatsproduktion (FV Nr. 29 und 30) eine erneute Papierumstellung auf sehr dünnes holzhaltiges Papier, das bereits zu vergilben schien, noch bevor die Hefte beim Zeitschriftenhändler angelangt waren. Davon waren fast alle Serien (Ausnahme: „Die Spinne“) betroffen. Bei den FV sollte die Umstellung gottlob nur zwei Monate dauern. Ein anderes Problem ergab sich bei der Gestaltung der Titelbilder.
Der geradezu bombastische deutsche Schriftzug brauchte einiges mehr an Platz. Bei den Originalheften ließ sich neben das Wort „Four“ immer noch der eine oder andere Text bzw. die eine oder andere Zeichnung hineinquetschen. Als Williams zudem noch die Kopfzeile „The World’s Greatest Comic Magazine!“ als „Das eindrucksvollste Superhelden-Team der Welt!“ übernahm, mussten Cover „umgebaut“ (FV Nr. 23-24, 27, 29, 34) oder komplett nachgezeichnet werden (FV Nr. 25-26). Diese Eingriffe waren meist nicht das Gelbe vom Ei.
Mit der Nr. 41 (20. Produktion) vergrößerte man das Seitenformat und nur noch wenige Titelbilder wurden umgestaltet (FV Nr. 46/FF # 50 und FV Nr. 78/FF # 82 wurden komplett nachgezeichnet, obwohl sie beim bsv als Hit Comics Nr. 10 und Nr. 101 mit den jeweiligen Originalzeichnungen erschienen waren). Leider blieb bei der Formatänderung ein Heft (US # 44) auf der Strecke bzw. könnte aufgrund der Umstellung in der bisherigen Druckerei liegen geblieben sein.
Ab FV Nr. 44 hatte das Impressum endlich auch seinen festen Platz auf der Eröffnungsseite. Dadurch war gewährleistet, dass nicht wie bisher mehrere Panels einer beliebigen Seite ein Stück ihrer Selbst opfern mussten. Nicht nur die Hefte „wuchsen“, auch die (deutschen) FV waren allen Kinderkrankheiten zum Trotz erwachsen geworden.
Im weiteren Verlauf der Serie fielen nur noch die Hefte Nr. 70 – 72 (US # 74 – 76) und Nr. 74 (US # 78) aus dem Rahmen, da die um zwei Seiten gekürzten Nachdrucke der „Marvel’s Greatest Comics“ als Vorlage verwendet wurden. Die Nummern 112 und 113 enthielten die zweiteilige Geschichte aus US # 116, ein „Giant-Size“-Heft mit erhöhtem Umfang, das auch schon in Hit Comics Nr. 241 und 242 erschienen war. Korrekterweise nahm man das Originaltitelbild mit Dr. Doom für den zweiten Teil. Auch bei Williams erhielt eines der Hefte ein neues Cover mit Zeichnungen aus dem Inhalt.
Mit Nr. 124 (US # 127) wurde die Reihe allzu früh und ohne Abschluss des begonnenen Zweiteilers (Abdruck in Hit Comics Nr. 252) eingestellt.
Das besondere Flair der Williams-Hefte zeichnet sich vor allem durch den Verzicht auf das damals für deutsche Comics übliche „Maschinenlettering“ aus. Die einzelnen Texte wurden ab der siebten Monatsproduktion (FV Nr. 13) von Hand in die Sprechblasen geschrieben. In der Anfangsphase tat man sich hier besonders schwer. Es ist anzunehmen, dass der Text direkt in die unvergrößerten Vorlagen gelettert wurde, worunter die Zeichnungen durch das Erweitern der Blasen zu leiden hatten und es teilweise erscheint, als würden die Charaktere von ihren eigenen Worten erdrückt werden. Unangenehm fällt bei den FV besonders das Lettering von Clemens Raschke auf, welcher den Platz um die ursprünglichen Sprechblasen bis auf ein Maximum auszunutzen wusste.
Die Fantastischen Vier (US-FF # 90), so wie sie sich der Fan erträumt: klasse Zeichnungen, gute Story und Übersetzung plus 1a-Lettering (Marlies Gerson, Willams-FV Nr. 86). (Nebenbei: es ist eine herrliche Geschichte!)
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