Max Linders Fußstapfen im amerikanischen Slapstick
betr.: 107. Geburtstag von Robert Youngson
Robert Youngson hat mit seinen Dokumentar- und Kompilationsfilmen ganz wesentlich dazu beigetragen, den verdienten Ruhm der Stummfilmkomödie ins späte 20. Jahrhundert – und damit in unsere Tage hinein – zu retten. In den frühen 60er Jahren brachte er die ersten wichtigen Kinocollagen zum Thema heraus und setzte die Wiederentdeckung von Laurel & Hardy in Gang. Mit „Laurel & Hardy’s Laughing Twenties“ („Laurel & Hardy im Flegelalter“) etablierte er die Praxis des Zusammenfügens und Kommentierens kürzerer und längerer Ausschnitte zu einem servierfähigen Programmangebot. Ganz neue Generationen von Fans wurden an die Stummfilm-Comedy herangeführt, auch als der britische Komiker Bob Monkhouse das Prinzip mit „Als die Bilder laufen lernten“ („Mad Movies“, 1965-67) ins Fernsehen mitnahm, das bald in aller Welt weitergeführt wurde.*
Ohne diese oft als respektlos geschmähte Art der Wiederverwertung wäre Hollywoods Slapstick-Ära heute nur noch einer Handvoll sozial isolierter Privatsammler überhaupt ein Begriff! Nicht einmal die berüchtigten „Nerds“ würden sich dafür interessieren.
Im Grunde gibt es in Youngsons Arbeit nur eine schmerzliche Blindstelle: Max Linder, den ersten Filmstar der Slapstick-Komödie.
In „Jubel, Trubel, Sensationen“ („Days of Thrills and Laughter“) verkündet der Erzähler zwar, die „ersten kleinen Filmkomödien“ seien aus Frankreich gekommen, zeigt und erwähnt Linder jedoch nicht. Dessen Versinken in der Vergessenheit hatte bereits eingesetzt.
Dabei war Linder, ehe sein Werk 1925 abriss, in Hollywood durchaus gewürdigt worden. Durch die offen erklärte Wertschätzung, die ihm Charles Chaplin zuteilwerden ließ – unzweifelhaft der Hauptvertreter dieser Zunft und damals der berühmteste Mensch der Welt – dürfen wir davon ausgehen, dass man sich der Bedeutung von Linders Pionierarbeit allgemein im Klaren war.
Sein Einfluss ist universell. Doch wieviel von Max Linders Humor hat es in das Werk Laurel & Hardy geschafft?
Im Gegensatz zu den halsbrecherischen Sujets solcher Kollegen wie Larry Semon oder Buster Keaton, bespielten Stan und Ollie mit Vorliebe das gesellschaftliche Parkett, auf dem sich auch Max Linder eingerichtet hatte (also: die Innendekoration). Doch während Max, der leichtlebige Bonvivant, buchstäblich in jedem Film eine neue, in der Regel gut betuchte Verehrerin vor den Kopf stieß, waren Stan und Ollie lediglich bestrebt, in die feineren Kreise und zu den Herzen der dortigen Damenwelt vorzudringen. Was der eine den Frauen an schlechten Manieren und egomanischen Eskapaden zumutete, das bekamen die anderen zurückgezahlt: von einer ganzen Riege großartiger Komödiantinnen aus dem Roach-Ensemble, die als ihre zänkischen Ehefrauen auftraten.
Als Laurel & Hardy 1939 nach Paris reisten – wenn auch nur in ein im Studio nachgebautes – war Max Linders Welt der Belle Époque längst untergegangen. Der Beginn von „The Flying Deuces“ zeigt uns Ollie in einer Situation, bei der ihn Linder gut hätte beraten können: seine Angebetete gesteht ihm per Brief, dass sie einen anderen liebt. Daraufhin will Ollie ins Wasser gehen – in die Seine. Stattdessen landen Stan und Ollie schließlich in der Fremdenlegion.