Bei der Aufteilung von Musik in E- und U-Musik (ernste Musik und Unterhaltungsmusik) handelt es sich um ein Klassifikationsschema zur Bewertung von musikalischen Phänomenen. Ausgehend von der Verteilungspraxis der GEMA und anderer Verwertungsgesellschaften kommt ihm seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle zu: dort wird die Vergütungshöhe danach festgelegt, welchem Buchstaben der betreffende Titel zuzuordnen ist. Die Unterscheidung steht unter dem Verdacht der Willkür, und die uneinheitliche Vergütung ist zwangsläufig ungerecht. Außerdem impliziert sie die schwachsinnige Idee, dass Klassische Musik (die ist mit E im Grunde gemeint) nicht unterhaltsam sein könne.
Im Alltag – oder sagen wir auf der kleinen Insel des Alltags, die sich mit der Rezeption von kulturellen Inhalten beschäftigt – wird sich über die Unterscheidung von E und U unentwegt beklagt, aber nicht wegen der genannten Denkfehler, sondern nur, um sich davon persönlich zu distanzieren. Rein privat, als Mensch und Musikfreund. Oder – wie es im Märchen immer so schön heißt – „um sich ein Ansehen zu geben“. Die Botschaft: „Durch meine Kritik an dieser Unterscheidung distanziere ich mich von den törichten Menschen, die sie vornehmen. Ich weiß gar nicht, wer diese Leute sind, wo sie leben und was sie machen, aber ich lehne sie ausdrücklich ab!“
Das ist mindestens scheinheilig, denn die meisten von uns mögen ein Idiom lieber als das jeweils andere. Sie erleben Wohlbehagen bei sinfonischen Streichern und ein Ressentiment bei allem anderen (rockigen Sounds, Jazz, Schlager, Tanzmusik, was auch immer) – oder umgekehrt.
Auch wenn das Gejammer über E und U in professionellen Kontexten erklingt (also von Musikern oder Musikvermittlern kommt), erlebe ich es grundsätzlich als Privatmeinung von Leuten, die betonen möchten, wie aufgeschlossen sie sind.
Wie ich höre, erwägt die GEMA tatsächlich eine Reform ihres Verteilerschlüssels. Und endlich erklärt mal jemand, was mit E und U überhaupt offiziell gemeint ist.
Der Komponist Helmut Lachenmann verteidigt diese Unterscheidung in der FAZ, denn „bei U und E geht es keinesfalls um die selbe Art von ‚Dienstleistung‘. Im Falle U geht es in allen Varianten um den unverzichtbaren ‚Dienst‘ an der Lebensfreude. Im Falle E geht es um die gleichermaßen unverzichtbare, letztlich aber schwierige und anspruchsvollere Erinnerung an unsere ästhetischen Bedürfnisse und Neugier als Teil unserer geistigen Versorgung.“ Im Online-Magazin VAN führt der Musiker weiter aus: Komponisten der E-Musik „haben die von ihnen vorgefundene Musizier- und Schaffenspraxis weiterentwickelt, quasi strapaziert“ und „das Musik-Erlebnis nicht als unterhaltsame und eher unverbindliche, sicher genussvolle Begehung eines kollektiv vertrauten Raums, vielmehr als dessen Öffnung, und wie auch immer irritierend oder befreiend erlebte Erweiterung“ verstanden.
Gut, er hat es wenigstens versucht.