Zum Tode von Charles Strouse

In den heute vernehmlichen Nachrufen auf Charles Strouse – wo es überhaupt welche gibt – ist von seinen beiden Hauptwerken als Musical-Komponist die Rede: „Bye Bye Birdie“ (ein letztlich vergeblicher Versuch des Broadway, dem Lauf der Popkultur ins Gesicht zu lachen) und „Annie“ (einem sensationell gut besuchten Kitschmonster, das wie von selbst den Weg in die Verulkung fand, wie Kai Luehrs-Kaiser so richtig anmerkte).
Es muss uns genügen, dass ein fähiger Künstler zu seiner Zeit Erfolg hatte, wenn auch nicht mit den Arbeiten, die es verdient gehabt hätten. Auch den Liebhabern des klassischen Musicals ist Strouses „Golden Boy“ von 1964 weitgehend unbekannt. Ich kenne dieses swingende Boxerdrama nur von der Langspielplatte und ahne entfernt, was es bedeutet haben könnte, Sammy Davis jr. in der Hauptrolle zu erleben. Einen Augenzeugenbericht enthält die 5teilige Radiodoku „Der unmögliche Traum“, die diesem schwarzen Entertainer gewidmet ist, urgesendet im April und Mai 1984 im RIAS und noch nachhörbar auf der DLF-Seite zum Thema „Aus den Archiven“. Der Autor Siegfried Schmidt-Joos erzählt sogar, wie der „Golden Boy“ sich im Laufe seiner Spielzeit am Broadway entwickelt hat.
In ihr lebt auch Charles Strouse noch einmal auf. Ein weiteres vergessenes Kleinod des Komponisten ist „Applause“, seine Version des Filmklassikers „All About Eve“. Lauren Bacall übernimmt darin in ihrer einzigen Musical-Rolle am Broadway den Part von Bette Davis.