Lesen vom Blatt – Lange Sätze

betr.: Sprechen am Mikrofon / Übung

Im Schriftbild sind Einschübe in beliebiger Größe kein Hindernis, da der Lesende sowohl das Tempo bestimmen als auch die optische Wirkung der beteiligten Satzzeichen (in diesem Falle: Klammern) zur Orientierung nutzen kann. Wer nun einen solchen Satzbau in seinen Vortrag übernehmen muss, hat diese hilfreichen Effekte mit seiner Stimme an den Zuhörer weiterzugeben.
Das folgende Beispiel aus einem Kapitel über Fritz Langs Stummfilmdrama „Dr. Mabuse, der Spieler“ von Willam K. Everson zeigt uns den Beginn der Inhaltsangabe, die in einen recht kurzen Satz eingebettet ist. Würden wir den in Klammern gesetzten, überaus komplexen Part ohne den Rahmen-Satz lesen, würden wir ihn mit Pausen strukturieren – was wir nun zu unterlassen haben. Auch dürfen wir zwischen den beiden Sätzen, aus denen er besteht und die hier durch ein Semikolon getrennt sind, nicht die übliche Zäsur machen.
Wir senken also ein wenig Stimme und sprechen den Einschub
hinter vorgehaltener Hand, beschleunigen ihn jedoch nicht.*

Es empfiehlt sich, den Hauptsatz vorher einmal ohne den Hauptsatz zu erfassen:
„Die gesamte Eröffnungssequenz an der Börse verschafft dem Film einen großartigen Start.“
Genauso muss sich dieser Satz auch anhören, wenn der Einschub wieder eingesetzt ist.

Die gesamte Eröffnungssequenz an der Börse (Mabuse hat die Dokumente eines Handelsvertrages gestohlen und ist zur Stelle, um die Aktien billig aufzukaufen, als die Nachricht bekannt wird und Panik ausbricht; sobald die Dokumente wiedergefunden sind, stabilisiert sich die Lage wieder und er kann teuer verkaufen!) verschafft dem Film einen großartigen Start.

Gleich im Anschluss folgt eine vorleserfreundlichere Konstruktion. Der nächste Coup des Schurken wird – ebenfalls in Klammern – noch ausführlicher skizziert. Er wird jedoch aus der wiederum sehr umfangreichen Analyse ausgelagert und nachgereicht.
Seine lesemelodische Behandlung sollte sich dennoch am Einschub im Satz zuvor orientieren.

Langs Talent, das Alltägliche unvermittelt in eine unwirkliche Welt des Schreckens umschlagen zu lassen, wird sehr schön in der Kartenspielszene deutlich, wenn das scheußliche Gesicht Mabuses plötzlich aus dem völlig schwarzen Hintergrund heraus nach vorne schießt wie eine bösartige Stimme in einem unsichtbaren Netz. (Mabuse, Hypnotiseur und Psychiater, verkleidet sich, fädelt es ein, mit reichen, einflussreichen Männern zu spielen, bringt sie hypnotisch dazu, falsch zu spielen und benutzt sie und ihren Reichtum später, wenn sie verhaftet und entehrt sind und zu ihm – als Mabuse – zur Behandlung kommen, als Pfandobjekte in seinem Unternehmen.)
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* Diese Technik wird in Kürze näher erläutert.

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