Yoknapatawpha Cologne

Für die Kunst zu arbeiten, ist beglückend. Es birgt aber auch das Risiko ihrer Entzauberung. Das Hobby der Jugendjahre zum Beruf des ganzen Lebens gemacht zu haben, kann gefährlich sein.
Wer Glück hat, der bewahrt sich auch nach 40 Jahren bienenfleißiger Arbeit voller Kränkungen, Hindernisse und Misserfolge die Liebe zum schöpferischen Handwerk  und bleibt weiterhin – und zuallererst – auch ein ergebener und dankbarer Konsument der Schönen Künste.

Dass Kultur zum Leben dazugehört, ist gerade bei Künstlern und Medienschaffenden keineswegs selbstverständlich. Mit dem zeitaufwendigen Konsumieren kompletter Netflix-Serien oder den unentwegten Griff zum Smartphone ist es nicht getan. Ich spreche von Menschen, bei denen Kultur (im weitesten Sinne) zum Alltag gehört und die sich mit musischen Dingen so selbstverständlich umgeben und versorgen wie sie sich feste und flüssige Nahrung zuführen. Beides geschieht von selbst und muss dem Alltag nicht zu festen Zeiten abgerungen werden wie eine Urlaubsreise oder der Besuch eines besonderen Genusses, zu dem man sich eigens hinbemüht.
Ich bin glücklich, einige Vertreter dieser Art zu meinen Freunden zu zählen.  Zum Beispiel Ralf König (- da ich weiß, dass er meinen Blog nicht verfolgt, kann hier ganz offen sein).
Abgesehen davon, dass Zeitgenossen, die bei hellwachem Verstand wirklich reinen Herzens sind, eine enorme Bereicherung bedeuten und nur schwer zu finden sind, bin ich einfach gern mit kreativen Menschen zusammen. Dieser Tage ist mir in bezug auf Ralf König etwas bewusst geworden: schon seit langer Zeit sehe ich Köln durch die Linse seiner Comics. Wann immer der Kölner Dom irgendwo abgebildet wird, denke ich an Ralf, „Konrad und Paul“.
Ralf hat diese mir wohlvertraute Miniatur-Metropole zu einem Mikrokosmos gemacht, der die ganze Welt beinhaltet – mit allen Bereicherungen und Einschränkungen, die sich aus menschlicher Unzulänglichkeit ergeben. Dass Köln bei allem, was es mir bedeutet, eine so hässliche Stadt ist – dass es sogar „dynamisch hässlich“ ist, wie Henryk M. Broder anerkennend beklagt -, macht diese Erkenntnis umso anrührender.
H. P. Lovecraft sagte: „Ich bin Providence“. Ich stelle hiermit fest: Ralf König ist Köln. Sein Köln ist unser aller Köln, so wie Kafkas Prag das tatsächliche Prag ist, wie wir Dublin gern mit den Augen von James Joyce betrachten. Es ist ein Köln ohne den lauten und deutlichen Dialekt, den viele von uns verstehen, den wir aber längst nicht alle beherrschen. Ralf Königs Kölner sind Erdenmenschen wie die Enten im Entenhausen des Carl Barks. Seine hedonistischen schwulen Knollennasen sind so sehr Leute jeglicher sexuellen Orientierung wie die Bürger von Yoknapatawpha County in den Erzählungen von William Faulkner.

Als ich Ralf zuletzt besuchte und ihm sagte, nein, ich habe diesmal nicht beruflich in Köln zu tun, ich käme privat, um ihn und auch die Stadt mal wiederzusehen, da war er ein wenig verblüfft. (Wir sind uns einig, dass Hamburg viel schöner ist!) Aber Literatur putzt, wie Thomas Mann so treffend bemerkte. Und wie schön Köln in diesem Glanze schimmert, muss demjenigen entgehen, der da poliert.

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