Dass früher alles besser war, ist ein oft gehörter Standpunkt, der uns spontan entweder kolossal zutreffend oder völlig absurd erscheint.
Erhellender als ein Nachdenken über ihn selbst, ist daher die Betrachtung seiner Verfechter und ihrer Motive.
Dabei wiederum ist es hilfreich, den Sammelbegriff „alles“ zuvor in seine gesellschaftspolitische und seine kulturelle Komponente aufzuteilen. Jeder, der den genannten Standpunkt vertritt, geht damit nämlich nur von einer der beiden Komponenten aus (und meint die andere mit).
Wer als Mensch früher alles besser fand, der ist zwangsläufig unter den Älteren zu suchen. Und selbstverständlich hat derjenige insofern recht, als die eigene Jugendzeit etwas für sich hat. Je mehr körperlich nicht mehr funktioniert, desto lieber stellt man sich vor, was man aus seiner einstigen Fitness mit dem Wissen von heute alles angefangen hätte. Unter diesem Aspekt fand Opa ja sogar den Zweiten Weltkrieg lustig.
Gegen dieses Argument sind wir als Gegenüber machtlos. (Es wird uns später einmal einleuchten.)
Auch der Ansatz, früher sei kulturell alles besser gewesen, setzt ein gewisses Alter voraus. Die meisten, die so denken, verschenken allerdings ihren Erfahrungsvorsprung, weil sie das Neue meiden (auf der Basis eines flüchtigen Eindrucks davon, dem nicht zu entkommen ist). Der junge Kunstfreund wiederum, der diese Behauptung zurückweist, hat es leichter: er kann der Kultur seiner Vorfahren sehr leicht entgehen, denn er wird ihr heute nicht mehr ausgesetzt.
Wer sich hingegen als älterer Mensch mit der heutigen Kultur beschäftigt, kann durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass auf diesem Feld früher alles besser war. Und wer sonst sollte es beurteilen können?
Mal ehrlich: so etwas wie Geschmack gibt es gar nicht. Es gibt Prägungen. Und die erlauben Vergleiche oder eben nicht. Wer nur das eine kennt, der kann das andere nicht gut oder besser finden.