betr.: Kent Jones‘ Doku „Hitchcock/Truffaut“
Nur wenige Buchstaben trennen Kent Jones, einen offensichtlich sehr uninspirierten Dokumentarfilmer, von Ken Burns, der auf dem nämlichen Gebiet einer der Fähigsten und Fleißigsten ist. Es ist unmöglich, diesen Kalauer niederzuhalten, wenn man der Doku „Hitchcock/Truffaut“ ansichtig wird – noch so eine unselige Namensgebung, zitiert sie doch den Titel des berühmtesten Gesprächs der Filmgeschichte, das in Buchform „Truffaut/Hitchcock“ heißt (im Deutschen viel angemessener / amüsanter „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“). Die Phrase, das Buch sei mal wieder besser als der Film, verbietet sich trotzdem, denn wie müsste eine „Verfilmung“ von Truffauts Bestseller aussehen (mit all den verzeihlichen Verkürzungen, die ein solcher Transfer naturgemäß mit sich bringt)? Eine halbstündige TV-Doku hat es vor Jahren vorgemacht, auf DVD-Bonus-Sektionen wird es hin und wieder als kleine Fingerübung gemacht: man lässt Passagen aus dem Tonbandprotokoll des Gesprächs laufen, einfach laufen, und illustriert sie mit den launigen Interview-Fotos, mit Storyboard-Auszügen und natürlich mit Filmclips. Das wäre das Leichteste von der Welt, und es würde beim Zuschauen das allergrößte Vergnügen bereiten.
Als positiv denkender Mensch hatte ich auf genau so etwas gehofft. Ich kenne das Buch so gut, dass ich nichts Neues gelernt hätte (so wie mir das regelmäßige Wiedersehen von Hitchcocks Filmen nichts inhaltlich Neues verrät), und ich hätte (genau wie dort) eine herrliche Zeit gehabt.
Was tut Jones? Er lässt nur Sekunden aus der erwähnten Aufnahme erklingen. Stattdessen kommt eine stattliche Zahl berühmter Kinoregisseure zu Wort. Leute von heute, die schon aufgrund ihrer Jugend nicht als Zeitzeugen taugen: Wes Anderson, James Gray, Olivier Assayas, Richard Linklater, Kiyoshi Kurosawa (wohlgemerkt Kiyosjhi, nicht Akira …). Analytisches oder sonstwie Erhellendes haben sie nicht zu berichten, nur die üblichen Marketing-Bekenntnisse von der unbestreitbaren Prominenz des Meisters. Dass es sich bei ihrer Lobhudelei eben um lupenreine Hudelei handelt, lässt sich schon an ihrer Arbeit ablesen, die keinen von ihnen als persönlichen Hitchcock-Fan ausweist. Wenige alte Hasen sind darunter: Paul Schrader, Peter Bogdanovich, Martin Scorsese. Letzterer spricht eher von sich selbst, wenn er sagt, es sei eine Freude gewesen, Hitchcocks Filme gesehen zu haben, als sie einst gestartet sind. Das ist die einzige wirkliche Information, die wir an diesen Abend erhalten (und auch sie hätte man sich ausrechnen können).
So verrinnen kostbare 79 Minuten. Ärgerliche 79 Minuten.