Synchronsprechen – zwei alternative Wahrheiten

betr.: Comic Con Stuttgart

Auf einer Comic-Convention nimmt das titelgebende Medium heute nur noch einen kleinen Teil der Hallenfläche ein. Zuletzt waren es vor allem Influencer, die sich hier stattdessen breitmachten, doch dieser Trend ist gottlob wieder etwas rückläufig.
Was man weitaus zahlreicher antrifft als Comichefte, sind Sprecher: also stimmliche Interpreten von Computerspielen, Hörspielen, Filmen und Serien, die sich jedoch in der Regel alle unter der Rubrik „Synchron“ ihrem Publikum präsentieren bzw. präsentieren lassen.
In Stuttgart gab es nun ein Trio auf der Bühne, das in der aktuellen Game-Version einer beliebten Filmreihe zu sehen ist (oder besser: der Game-Version eines Franchise. Das ist die einzige Kategorie, die in der gegenwärtigen Sprachregelung der Rede wert ist).
Zwei Dinge wurde aus berufenem Munde gesagt, die ich so nicht stehenlassen möchte.
Auf die Frage nach den Unterschieden zwischen der Synchronarbeit und dem Sprechen für Software gab es die nicht nur wischiwaschihafte, sondern schlichtweg irreführende Antwort: das sei eigentlich letztlich dasselbe, in beiden Fällen würde man seine eigene Persönlichkeit einbringen, um eine Figur zum Leben zu blala. (Über die tatsächlich erheblichen Unterschiede beider Arbeitstechniken und ihrer Herausforderungen wurde an dieser Stelle schon ausführlich berichtet.)
Dann fiel noch ein Satz, den ich nie vergessen werde: „Der Anfänger schaut beim Synchron auf den Mund. Der Profi schaut auf die Augen, denn dort spielen sich die Gefühle der Figuren ab.“
Vermutlich ist das einfach die Übersetzung für: „Es gibt Anfänger, und es gibt Leute wie mich!“

Veröffentlicht unter Comic, Film, Mikrofonarbeit, Popkultur | Verschlagwortet mit , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Das Schweigen zwischen den Zeilen

betr.: Lesen vom Blatt / Sprechen am Mikrofon

Hin und wieder ist der Autor so nett und liefert uns den Subtext gleich mit, gleichsam als eingebaute Regieanweisung für den Vorleser.
Der  gelb unterlegte Halbsatz aus Agatha Christies Krimi „Mord im Spiegel“ verrät uns, was Mrs. Bantry fühlt und wie sie über das zuvor Gehörte denkt: „und dachte bei sich, trotzdem glaube ich die nicht. Du bist nicht der Typ, der Ruhe findet“ beschreibt die Haltung, in der der davor gesagte Satz „Ich verstehe“ gelesen werden muss.

Das gibt uns einen Eindruck, wie weit unser lesendes Auge dem sprechenden Mund mindestens voraus sein sollte.

Veröffentlicht unter Buchauszug, Krimi, Literatur, Mikrofonarbeit | Verschlagwortet mit , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Blackout? Am liebsten vom Blatt …

betr.: Sprechen am Mikrofon / Lesen vom Blatt

So verwandt die Berufe des Sprechers am Mikrofon und des Schauspielers sind, sind es auch die Fehler und Unfälle, die da und dort passieren können. Der Umgang damit ist allerdings grundverschieden. Vor Publikum müssen Texthänger oder Versprecher überspielt werden (ggf. im Ensemble), während man im Studio sofort abbrechen sollte, wenn man einen Fehler bemerkt bzw. kommen fühlt oder darauf hingewiesen wird. Die betreffende Stelle der Darbietung ist nicht mehr zu retten. Sie wird wiederholt und schließlich in der Nachbearbeitung ungeschehen gemacht.

Die nächstschlimmere Panne, die auf der Bühne passieren kann, ist dann auch gleich die größtmögliche, die dem Einzelnen technisch-künstlerisch überhaupt passieren kann, sie ist Gegenstand von Albträumen und Traumata: das Blackout. Der Texthänger, der sich zu einer völligen Lähmung des Hirns ausdehnen kann. Wie man immer wieder hört (und in dem Musical „Mame“ auch gezeigt bekommt), sind die armen Opfer dieser Unpässlichkeit so vollständig in  ihr gefangen, dass ihnen nicht einmal mehr die Souffleuse helfen kann: auch das Gehör fällt dann aus.
Das Text-Blackout ist am Mikrofon schon deshalb unmöglich, weil ja der gesamte Vortrag vom Blatt geschieht. Doch auch hier können sich Dinge zutragen, die den Produktionstag zum erliegen bringen. Eine Kollegin, an die ich mich erinnere, betonte zum Beispiel das Wort „Alkohol“ auf der letzten Silbe. Als man sie darauf hinwies, es müsse stattdessen die erste sein, konnte sie das nicht ändern, und auch das unermüdliche Vormachen der richtigen Aussprache durch Regisseur und Tonmeister half nicht. Der Tag endete ohne eine brauchbare Aufnahme des Wortes „Alkohol“. Versprecher erschüttern in beiden Sphären das Selbstbewusstsein und die Souveränität. Man merkt das zum Beispiel daran, dass es in den Nachrichten im Radio selten nur einen einzelnen Versprecher gibt. Wenn ein Ausrutscher geschieht, folgt in der Regel noch mindestens ein weiterer, weil die Routine des fließenden Vortrags sich erst wieder fangen muss.
Den vor Publikum künstlerisch arbeitenden Darsteller trifft das wesentlich härter. Dort erschüttert ein Versprecher nicht nur die Routine, er untergräbt die Selbstsicherheit. „Es ist als würde man aus dem Nichts eine Ohrfeige bekommen“ (Joachim Meyerhoff). Die niedrigeren unterschiedlichen Schweregrade gibt es am Mikrofon wie auf der Bühne: den Verhaspler und den sinnentstellenden Wort-Dreher. Der „das Stück komplett vor die Wand fahrende Katastrophen-versprecher“ allerdings ist ein „Martyrium wie es nur wenige Berufe zu bereiten vermögen“. Die Tätigkeit des Sprechers sollte nicht dazugehören.

Veröffentlicht unter Buchauszug, Hörfunk, Mikrofonarbeit, Theater | Verschlagwortet mit , , , , , | Ein Kommentar

Melone statt Zylinderhut

Max Linders Fußstapfen im amerikanischen Slapstick

betr.: 107. Geburtstag von Robert Youngson

Robert Youngson hat mit seinen Dokumentar- und Kompilationsfilmen ganz wesentlich dazu beigetragen, den verdienten Ruhm der Stummfilmkomödie ins späte 20. Jahrhundert – und damit in unsere Tage hinein – zu retten. In den frühen 60er Jahren brachte er die ersten wichtigen Kinocollagen zum Thema heraus und setzte die Wiederentdeckung von Laurel & Hardy in Gang. Mit „Laurel & Hardy’s Laughing Twenties“ („Laurel & Hardy im Flegelalter“) etablierte er die Praxis des Zusammenfügens und Kommentierens kürzerer und längerer Ausschnitte zu einem servierfähigen Programmangebot. Ganz neue Generationen von Fans wurden an die Stummfilm-Comedy herangeführt, auch als der britische Komiker Bob Monkhouse das Prinzip mit „Als die Bilder laufen lernten“ („Mad Movies“, 1965-67) ins Fernsehen mitnahm, das bald in aller Welt weitergeführt wurde.*
Ohne diese oft als respektlos geschmähte Art der Wiederverwertung wäre Hollywoods Slapstick-Ära heute nur noch einer Handvoll sozial isolierter Privatsammler überhaupt ein Begriff! Nicht einmal die berüchtigten „Nerds“ würden sich dafür interessieren.  

Im Grunde gibt es in Youngsons Arbeit nur eine schmerzliche Blindstelle: Max Linder, den ersten Filmstar der Slapstick-Komödie.
In „Jubel, Trubel, Sensationen“ („Days of Thrills and Laughter“) verkündet der Erzähler zwar, die „ersten kleinen Filmkomödien“ seien aus Frankreich gekommen, zeigt und erwähnt Linder jedoch nicht. Dessen Versinken in der Vergessenheit hatte bereits eingesetzt.

Dabei war Linder, ehe sein Werk 1925 abriss, in Hollywood durchaus gewürdigt worden. Durch die offen erklärte Wertschätzung, die ihm Charles Chaplin zuteilwerden ließ – unzweifelhaft der Hauptvertreter dieser Zunft und damals der berühmteste Mensch der Welt – dürfen wir davon ausgehen, dass man sich der Bedeutung von Linders Pionierarbeit allgemein im Klaren war.

Sein Einfluss ist universell. Doch wieviel von Max Linders Humor hat es in das Werk Laurel & Hardy geschafft?
Im Gegensatz zu den halsbrecherischen Sujets solcher Kollegen wie Larry Semon oder Buster Keaton, bespielten Stan und Ollie mit Vorliebe das gesellschaftliche Parkett, auf dem sich auch Max Linder eingerichtet hatte (also: die Innendekoration). Doch während Max, der leichtlebige Bonvivant, buchstäblich in jedem Film eine neue, in der Regel gut betuchte Verehrerin vor den Kopf stieß, waren Stan und Ollie lediglich bestrebt, in die feineren Kreise und zu den Herzen der dortigen Damenwelt vorzudringen. Was der eine den Frauen an schlechten Manieren und egomanischen Eskapaden zumutete, das bekamen die anderen zurückgezahlt: von einer ganzen Riege großartiger Komödiantinnen aus dem Roach-Ensemble, die als ihre zänkischen Ehefrauen auftraten.

Als Laurel & Hardy 1939 nach Paris reisten – wenn auch nur in ein im Studio nachgebautes – war Max Linders Welt der Belle Époque längst untergegangen. Der Beginn von „The Flying Deuces“ zeigt uns Ollie in einer Situation, bei der ihn Linder gut hätte beraten können: seine Angebetete gesteht ihm per Brief, dass sie einen anderen liebt. Daraufhin will Ollie ins Wasser gehen – in die Seine. Stattdessen landen Stan und Ollie schließlich in der Fremdenlegion.

Veröffentlicht unter Fernsehen, Film, Kabarett und Comedy | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Klassik, Kult und klopfbare Sprüche

betr.: 82. Jahrestag der Uraufführung des Films „Casablanca“

Unter https://alle42kultfilme.letscast.fm/episode/casablanca diskutiere ich mit meinem jüngeren Kollegen Torben Sterner im Rahmen des Podcasts „Alle 42 Kultfilme“ über die heutige Wirkung desjenigen Titels, der in seiner Dreifaltigkeit aus Klassiker, Kultfilm und geflügeltem Wort alle anderen überragt. Dieser Status bringt es mit sich, dass längst nicht alle „Casablanca“ tatsächlich kennen, die ihn an- oder seine zahllosen klassischen Dialogzeilen im Munde führen. Das ist schade, denn er ist tatsächlich noch immer berührend und amüsant.
Sogar ein Film, der ihn und seinen ikonischen Hauptdarsteller Humphrey Bogart sowie eine der besagten Regewendungen parodiert, hat es zu Kultstatus gebracht: „Mach’s noch einmal Sam“ („Play It Again, Sam“) von 1971 auf der Basis eines Theaterstücks von Woody Allen und mit diesem in der Hauptrolle (wenn auch unter fremder Regie). Mit diesem Film wird sich unser Podcast im Januar beschäftigen, wenn uns die nach deutschen Titeln grob alphabetische Reihe dorthin führt.

Veröffentlicht unter Film, Popkultur, Theater | Verschlagwortet mit , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Über den Dingen

Im Drama „Mehr denn je“ hatte ich ein skurriles déja-vu. Der Film handelt von einer todkranken jungen Frau (Vicky Krieps), die im Internet eine Brieffreundschaft zu einem Leidensgenossen aufnimmt, dessen pragmatisch-unweinerlicher Blog ihr Kraft gibt. Der schriftliche Dialog geht in einen Chat über. Sie bittet, ihn in Norwegen besuchen zu dürfen – um ihn persönlich kennenzulernen, aber auch, weil ihr diese Reise eine Flucht aus dem sehr eng gewordenen Alltag verspricht. Ihrem loyalen, liebenden Mann (Gaspard Ulliel) trotzt sie ab, diese Reise allein zu unternehmen.
Bei ihrem Gastgeber angekommen, erfährt sie, dass sein einsam gelegenes Haus in einem großen Funkloch liegt. Das war abzusehen, wurde aber nicht vorab geklärt, da beide weniger Banales zu bereden hatten. Und so muss die Heldin einen Hügel erklimmen, den „Reception Hill“, um ihren Mann zu erreichen, der sich schon über den abgebrochenen Kontakt sorgt.
Als sie den Hügel erreicht, sitzen dort viele Menschen im Gras und telefonieren vor sich hin. Das ist ebenso naheliegend wie die Information mit dem Funkloch, und ebenso überraschend für uns. Oder jedenfalls für mich: ich hatte mich abermals von diesem alltäglichen Aspekt ablenken lassen.
Diese Szene ereignet sich zu Beginn des zweiten Aktes und ist nicht übermäßig wichtig, ist keine Schlüsselszene. Aber sie hat mich sehr berührt. Auch deshalb weil sie mich an das ergreifende Schlussbild aus „Fahrenheit 451“ denken ließ. Es zeigt die „Book People“, die sich vor einem Regime, das das Lesen verboten hat und Bücher verbrennt, in die Einöde geflüchtet haben, um dort ihre Lieblingswerke auswendig zu lernen und sie so durch diese finstere Zeit hindurch zu bewahren.
„Plus que jamais“ vollbringt noch weitere Wunder, und die meisten davon werden auch jenen einleuchten, die bei der Hügel-Szene nicht auf so merkwürdige Vergleiche kommen. Man kann zum Beispiel darüber staunen, dass ein großer Konflikt keinen Bösewicht haben muss.
Und selbstverständlich muss man nicht krank oder verzweifelt sein, um diesen Film zu mögen.

Veröffentlicht unter Film, Rezension | Verschlagwortet mit , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Alle zappeln außer Helga

betr.: 34. Todestag von Helga Feddersen

„Das Haus an der Stör“ (1963), in dem die Hamburger Schauspielerin Helga Feddersen einen frühen beachtlichen Auftritt hat, hat sich als Archivperle in milder Rotation im linearen Fernseh-Angebot erhalten. Es ist eine besonders beliebte Folge der historischen deutschen Krimiserie „Stahlnetz“ (1958-68). Die Fälle waren in sich abgeschlossen, die Kommissare wechselten. Diesmal ist der Charakterkomödiant Rudolf Platte an der Reihe, der sich mit einer jungen Kollegin auf eine Zugfahrt vom schleswig-holsteinischen Itzehoe nach Bad Tölz begibt, um einen alten Fall wieder aufzurollen. Fast die gesamte Handlung wird auf der langen Bahnfahrt in Rückblenden erzählt, die wiederum hauptsächlich „Bilder von sprechenden Menschen“ zeigen (wie Hitchcock diese Kammerspielsituationen etwas abfällig nannte).
Der Reporter Jürgen Roland, der dank dieser Serie zum lebenslang gefeierten TV- und gelegentlichen Kinoregisseur aufstieg, war sich dieser Problematik bewusst. Und so ordnete er seinem Bestreben, keine bildgestalterische Langeweile aufkommen zu lassen, alles andere unter. Seine Figuren dürfen niemals stillsitzen. Die beiden Fahrgäste müssen immerzu aufstehen, auf den Gang hinaustreten, wo sogleich eine Karawane von Mitreisenden an ihnen vorbeidrängelt, müssen das Fenster auf- und wieder zumachen. Komparsenbesuche im Abteil sorgen für zusätzliche Funktionsdialoge. Rudolf Platte, der auch in den Rückblenden agiert, ermittelt meist nicht stehend oder sitzend, sondern muss mit Ernst H. Hilbich von dessen Verkaufsstand auf der Mönckebergstraße zur Wurstbude hetzen und eine Wurst kaufen, die dann keiner isst, Harry Wüstenhagen beim Flaschenputzen helfen, mit Friedrich Schütter einen Tatort begehen, den er schon einmal begangen hat. Alle gehen während der Befragung umso emsiger ihren jeweiligen Berufen nach. Selbst in seinem Büro kommt Platte nicht zur Ruhe, es wird ständig herumgestromert und mit der Zeugin („Ich helf Ihnen.“) Kaffee gekocht, den dann keiner trinkt. Die ohnehin stetig wechselnden Schauplätze – in jedem von ihnen wohnt ein illustrer Stargast – werden nach Kräften durchmessen, erwandert, erschlossen. Die meisten dieser Kulissen wirken so realistisch wie man es sich bei diesem dokumentarischen Serienformat wünscht, nur der Ohnsorg-Star Henry Vahl als Gerichtsmediziner wird in ein expressionistisches Totenkopfkabinett gesetzt, in dem sich Dr. Mabuse zu Hause gefühlt hätte (auch die dämonische Beleuchtung von unten hätte ihm gefallen).

Der erkennbare gute Wille ist nicht unsympathisch, und unzweifelhaft war Jürgen Roland mächtig stolz darauf. Doch seine Mühen lassen den Krimiklassiker zum skurrilen Kabinettstückchen verschrumpeln. Helga Feddersens Auftritt als Schneiderin gegen Ende des Films ist auch deshalb so gelungen, weil sie die ihr auferlegte Umtriebigkeit sehr charmant unterspielt. (Der knallige Kollege Hilbich zeigt uns das andere Extrem.)
Wer dem Film etwas Gutes tun will, kann ihn als „Rail Movie“ betrachten, das die Erfindung bzw. Ausdefinition des „Road Movie“ durch „Easy Rider“ (1968) vorwegnimmt.

Veröffentlicht unter Fernsehen, Krimi | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Tierhaargespräche

geführt von Monty Arnold

Veröffentlicht unter Cartoon (eigene Arbeiten), Comic, Gesellschaft, Hörfunk | Verschlagwortet mit , , , | Schreib einen Kommentar

Immer wieder Gisela

Der ARD-Krimi-Hörspiel-Podcast „Kein Mucks!“ ist wieder da! Und das ist eine gute Nachricht, zumal die „Sommerpause“ mit einem knappen halben Jahr diesmal verdächtig lang ausgefallen ist.
Wie sich das gehört, hat Bastian Pastewka ein weiteres Update seiner endlos langen, kugellustig gemeinten Intro-Collage zusammengezimmert, doch diesmal klingt sogar er selbst etwas angestrengt. Der extradicke Übereifer seines Moderationsstils (weniger wäre schon immer mehr gewesen) ist wackerer öffentlich-rechtlicher Routine gewichen. Immer wieder in dieser Ausführlichkeit erklären zu müssen (oder zu wollen), worin das recht simple Konzept dieses Podcasts besteht, ist besonders mühsam, wenn man es so lange nicht gemacht hat. Und „Der Tod greift ein“ aus der tutigen „Inspektor Hornleigh“-Serie ist auch nicht gerade ein Kavalierstart in den Krimi-Herbst. (Besonders, wenn der zuletzt gesendete Fall der geniale Dreiteiler „Nachruf auf einen Spion“ gewesen ist!)
Schwamm drüber! Handschellen strammziehen und weiter zuhören – mit der alten Vorfreude.

Veröffentlicht unter Hörfunk, Hörspiel, Krimi | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Zum Geburtstag von Corny Littmann (74) und Olivia Jones (55)

Diese beiden Kollegen durfte ich Ende der 80er Jahre auf der Reeperbahn kennenlernen. Die weltberühmte Amüsiermeile befand sich in jenen Tagen in einer Krise, weil sich ein großer Teil ihrer bürgerlichen Laufkundschaft wegblieb, um sich die Pornos nun zuhause auf dem noch frischen Videorecorder anzuschauen.
Im Frühsommer 1988 stand das „Schmidt Theater“ vor der Eröffnung, ein wagemutiges Projekt zweier Künstler aus der schwulen Theatergruppe „Familie Schmidt“ und zwei befreundeten Gastronomen. Die Künstler waren Corny Littmann und Ernie Reinhardt*, die Eröffnungsshow würde „Sag‘ bitte, und ich sing“ heißen, Georgette Dee und Terry Truck würden das Quartett auf der Bühne komplettieren. Claus Vinçon führte Regie und war freilich auch Mitautor (das gehörte zum Service).
Ich durfte – zu Besuch in Hamburg – einer Hauptprobe dieses Programms beiwohnen. Es war eines der großartigsten Live-Erlebnisse, die mir bis dahin widerfahren waren, und ich bedaure, dass es davon keine Aufzeichnung gibt. Lediglich die Songs wurden aufgenommen und später (fast alle) auf einer Audiocassette an der Kasse verkauft …
Ein knappes Dreivierteljahr später: inzwischen wohnte ich in Hamburg, und zwar schräg gegenüber dem Theater auf der anderen Seite der Reeperbahn.
Das machte mich zu einem guten Einspringer, wenn die zunächst noch sehr verbummelte Künstlerschar, aus der sich die allnächtliche „Mitternachtsshow“ rekrutierte, mal nicht komplett zur Aufführung erschien. Ernie Reinhardt pflegte mich dann anzurufen und zu sagen: „Eine Transe hat sich das Bein gebrochen, magst du heute abend als Moderator aushelfen?“
Ich mochte immer, und meistens ließ es sich einrichten.
Eines nachts durfte ich Olivia Jones ansagen, die mit zwei Vollplaybacknummern (eine davon müsste „Als Hausfrau ist man immer auf der Wanderschaft“ gewesen sein) ihren ersten Auftritt im „Schmidt“ absolvierte. Auf Ernies Programmzettel stand: „Zwei Meter Travestie“.
Olivia war sehr nett und unprätentiös und nahm sich in ihrer Kunstfigur nicht so ernst wie es in der vorangegangenen Generation von Travestie-Künstlern verbreitet war. Die wirklich brillanten Vertreter parodierten den larmoyanten Gestus der übrigen, aber das waren verschwindend wenige, und sie waren auch nicht auf das für diesen Berufsstand typische Vollplayback festgelegt. Nun standen die fröhlichen 90er vor der Tür, und Olivia verkörperte einen neuen Ansatz.

Einen Abend mit Corny Littmann und Olivia Jones – sowas könnte heute kein Mensch mehr bezahlen. Es lebe die gute alte Zeit.
________________
* Siehe https://blog.montyarnold.com/2022/05/26/effi-effinghausen-4/

Veröffentlicht unter Kabarett und Comedy, Monty Arnold - Biographisches | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar