Kultfilm-Azubis (4): Spinnt sie oder spinnt sie nicht?

Unser Service zu Freitag, dem 13.! In der heutigen Folge des Podcasts geht es um zwei Filme, in denen eine Frau, an deren Verstand wir gewisse Zweifel hegen, ganz allein mit ihren Problemen ist – und dann bricht auch noch die Dunkelheit herein.

A) Tanz der toten Seelen / Carnival Of Souls
Amerikanischer Indie-Horrorfilm von 1962

Nachdem sie als einzige aus ihrer Klicke einen Autounfall auf einer Brücke überlebt hat, fährt die junge Organistin Mary Henry nach Salt Lake City, wo sie eine Stelle als Organistin in der Kirchengemeinde angenommen hat. Als sie auf dem Weg dorthin an einem alten, verlassenen Rummelplatz vorbeifährt, erscheint ihr das erste Mal das Gesicht eines Mannes im Fenster ihres Wagens. Dieser Untote sucht sie nun immer wieder und mit wachsender Intensität heim.
Am Ziel angekommen nimmt Mary sich ein Zimmer und tritt ihre neue Stelle an. Aber ihre Visionen entfremden sie immer stärker ihrer Umwelt, von der sie sich abwechselnd bedroht und nicht wahrgenommen fühlt.
Außerdem zieht sie der Pavillon des alten Rummelplatzes magisch an. Als sie sich schließlich wieder dorthin wagt, um ihren Ängsten auf die Spur zu kommen, erfüllt sich ihr Schicksal …

Der Werbefilmer Herk Harvey schuf für‘n Appel und’n Ei einen konsequenten, außergewöhnlich irritierenden Film, einen abendfüllenden Alptraum, der von der Öffentlichkeit ignoriert wurde und der einzige Spielfilm des Regisseurs blieb. Erst 25 Jahre später brachten beinharte Fans das Werk wieder ins Kino und in die Fachpresse. Inzwischen hatte die ihrerseits von einer Story des Ambrose Bierce inspirierte Schauerballade längst unzählige ungleich erfolgreichere Filmprojekte angeleitet, von George A. Romeros „Nacht der lebenden Toten“ bis zum kompletten Lebenswerk von David Lynch.

B) Die Nacht der tausend Augen / Night Watch
US-Thriller von 1973

Die reiche Londonerin Ellen Wheeler leidet unter Schlaflosigkeit. Von ihrem Fenster aus blickt sie auf ein verlassenes Grundstück auf der anderen Straßenseite. Im oberen Stockwerk der vermoderten Bruchbude will sie die Opfer eines Mordes erspäht haben, als ein nächtlicher Sturm die Fensterläden aufklappen ließ und Blitze den Raum erleuchteten. Ihr Ehemann John glaubt ihr nicht, doch er verständigt die Polizei. Die untersucht das Haus und findet nichts. Ellen bleibt bei ihrer Darstellung. Als sie immer wieder Alarm schlägt, hat der Zuseher drei Optionen: will man die durch ein früheres Eheerlebnis traumatisierte Dame in den Wahnsinn treiben, ist sie tatsächlich verrückt, oder hat sie am Ende recht? – Wie sich herausstellt, gibt es noch eine vierte Möglichkeit …

Dieser kleine Thriller der Autorin Lucille Fletcher gehört zu den vergessenen späteren Arbeiten der legendären Diva Elizabeth Taylor. Ein Kammerspiel, das menschliche Abgründe auslotet und uns bis zuletzt an seiner Heldin zweifeln lässt.

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Hausmitteilung

betr.: mein Podcast „Kultfilm Azubis“

Seit einiger Zeit wird von meinem Podcast-Hoster LetsCast.fm Werbung vor die Folgen der „Kultfilm Azubis“ geschaltet. Das ist zunächst einmal sehr erfreulich, unter anderem weil es bedeutet, dass sich ein gewisser Erfolg eingestellt hat.
Dafür an alle, die zuhören: ein herzliches Dankeschön.
Leider verrutschen somit auch die Kapitelmarken, die ich jeweils setze, um den in der zweiten Staffel zweiteiligen Podcast zu gliedern. Ich glaubte, etwas übersehen zu haben, doch auf Anfrage bekam ich einen umständlichen Formbrief, der nicht anderes aussagt, als dass dies leider nicht zu ändern sei.
Ich kann diese Schlamperei nicht fassen. Dieses Problem wäre technisch mühelos in den Griff zu bekommen.
Ich hoffe, dass ohnehin alle die komplette Folge hören und die Sprungmarken im Zweifelsfalle gar nicht brauchen.

Weiterhin: gute Unterhaltung!

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Tierhaargespräche

geführt von Monty Arnold

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Wohnwelten (7): M privat

betr.: 41. Jahrestag der ersten Ausstrahlung eines JamesBond-Films im Deutschen Fernsehen: „Liebesgrüße aus Moskau“ in der ARD

Admiral Sir Miles Messervy ist M, der Chef von James Bond – gestreng, aber liebenswert. Immerhin aus den Romanen von Ian Fleming ist uns sein bürgerlicher Name bekannt. Dass dieser auch für die von Bernard Lee verkörperte Filmversion gilt, dürfen wir zumindest annehmen, denn in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ wird er von einem Amtskollegen mit dem Vornamen Miles angesprochen. (Seine Nachfolgerin mit dem gleichen Kennbuchstaben ist wieder ein anderes Thema: ihr Klarname ist ein Geheimnis.)

Einmal (1963) dürfen wir Lesenden einen Blick in Ms heimisches „Achterdeck“ tun. Bond-Biograf Kingsley Amis beschreibt es als „das hübsche kleine Herrenhaus im Regency-Stil, angemessen nahe Windsor Castle. Man meldet sich an, indem man die Messingglocke eines ausgedienten Schlachtschiffs bearbeitet (stupides Gerümpel), und wird, sollte es auch nur eine Minute nach Mittag sein, mit dem ‚Afternoon‘ des Seemanns begrüßt, der stets peinlich genau auf die Zeit achtet (stupider Brauch). In einem Raum, dessen Wände alte Stiche aus der Geschichte der Seefahrt und Aquarelle wilder englischer Orchideen von Ms eigener Hand zieren, bekommt man mit einigem Glück ein Gläschen Marsala, irgendeinen scheußlichen algerischen Wein und einen billigen schwarzen Stumpen – oh, und einen Whisky-Soda (erkauft gegen einen niederträchtigen Blick).
Selbst hier, im Arbeitszimmer der ‚Villa Achterdeck‘, viele Kilometer vom Regent’s Park und der Zentrale entfernt, muss der arme Bond erfahren, dass M ihn weiterhin ‚007‘ nennt,  während er sich an M mit keiner vergleichbaren Anrede rächen kann.“

Weiterhin ist M Mitglied im „Blades Club“, obwohl er sich das bei seinem Einkommen als Chef des Geheimdienstes und Vizeadmiral (jährlich 6500 Pfund, nicht inflationsbereinigt) eigentlich nicht leisten kann, denn der Club nimmt nur solche Leute auf, die ein Kapital von 100.000 Pfund in bar oder Wertpapieren vorzuweisen haben. Die zweite Voraussetzung, gentlemanlikes Benehmen, kann M vermutlich vorweisen (trotz seines Ausrutschers in „Für Sie persönlich“). Mr. Amis nimmt an, dass das Verteidigungsministerium M die Summe vorgestreckt hat, „aber nur solange, wie er sie vorweisen musste. Man dürfte berechnet haben, dass sich ein Mann an Ort und Stelle bezahlt machen könnte, da ein exzentrischer Millionär, der vielleicht London in die Luft sprengen wollte, früher oder später im Klub auftauchen musste, um ein bisschen falsch zu spielen“.

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Was einen guten Songtext ausmacht

Gute Songtexte sind meistens auf Englisch verfasst. Was auf den ersten Blick wie eine patriotische Nachlässigkeit wirkt, kann jeder selbst rasch nachprüfen: die meisten von uns subjektiv als gut empfundenen Liedtexte dürften aus der Popmusik stammen, über die wir uns immer gefreut haben, weil in der selben Zeit kein deutscher Schlager laufen konnte.
Aber zu meiner Verteidigung: eine der besten Zeilen, die ich kenne, kommt aus dem deutschen Schlager, Interpret: Bata Illic, Text: Günther Behrle. Die Titel- und Refrainzeile lautet: „Ich möcht‘ der Knopf an deiner Bluse sein. Dann könnt‘ ich nana-na-nananah bei deinem Herzen sein.“ Warum ist dieses Lied kein Hit geworden? Vielleicht weil diese Zeile die einzig gute ist – und die ist nicht mal ordentlich gereimt. Aber in Wahrheit: man weiß es einfach nicht. Der Song war nicht schlechter als andere, erfolgreichere.

Bei genial getexteten englischsprachigen Songs denke ich: das könnte von Noël Coward sein. Zwei Songs hätte ich sogar für Coward gehalten, wenn das sie umgebende Filmmusical dies nicht sogleich ausgeschlossen hätte: „A Lady Loves“ aus „I Love Melvin“ (Text: Mack Gordon) und „Once Upon A Time“ aus Anthony Newleys „Can Heironymus Merkin Ever Forget Mercy Humppe and Find True Happiness?“. Ein weiteres Musical (vom Broadway kommend und später verfilmt) ist hier unbedingt zu nennen: „Kismet“ mit den Texten von Wright & Forrest.
Der beste mir bekannte Songtexter, der zur Zeit auf Erden tätig ist, ist wiederum ein deutscher Kollege: Sebastian Krämer mit weitem Abstand vor allen anderen.
Für alles bisher Angeführte (außer dem Beispiel Bata Illic) gilt: auch musikalisch sind diese Sachen auffallend gut.

Einen objektiveren Analyseversuch wagt Ebba Durstewitz in der aktuellen „Wochentaz“, aus deren einschlägigem Artikel das Folgende entnommen ist.
Ein 1-a-Songtext ist rührend, elegant, auch lustig; leichtfüßig, dabei doch deep mit einem Hauch von Melancholie; dazu versetzt mit feinen Metaphern und angenehm unaufdringlichen Unter-, Neben- und Zwischenbedeutungen. [Wie gesagt: „Kismet“!]
Weiterhin lässt er noch etwas von der regellosen Unbekümmertheit ahnen, mit der er verfasst wurde. Er ist mit dem Vertrauen erdacht, dass Text und Musik sich schon finden werden und mich (die Autorin) überhaupt nicht bauchen.
Auch dass uns Nonsens-Texte oftmals so sehr ans Herz wachsen, ist entschlüsselbar. Dann regiert der Unsagbarkeitsmodus: „Yeah Yeah Yeah“ heißt es dann, und „Hopple-di-Pop“, „I caught sight of her rumpty-tump-tum“, „It goes up to the door with my rap-tap-tap“. „A woobob-a-loo-bop“, „Hmm-bob“, „Tutti frutti“, „Rama-lama-ding-dong“ und „Ri-Fol-the-Diddle all day“. In den Flegeljahren von Pop und Rock’n’Roll hatten diese Nonsense-Words oft eine konkrete, außertextliche Funktion: sie sollten vermeintliche Unanständigkeiten verschleiern. Man wollte schließlich im Radio gespielt werden.  
Außerdem trösteten sie die (minderjährigen) Englisch-Nichtversteher, die trotzdem gern mitsangen, was im Radio gespielt wurde.

Ist das nicht toll? Und in der nächsten Folge sprechen wir darüber, was einen Songtext so richtig beschissen macht …

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Die Fassbinderin

Eher aus Pflichtgefühl denn aus Neugier habe ich mir den Film „Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce, 1080 Bruxelles“ angeschaut: in Vorbereitung einer Folge meines Podcasts „Kultfilm Azubis“. Die Sichtung war eh überfällig, da der Film im Januar 2022 von „Sight And Sound“ zum „Besten Film aller Zeiten“ („Greatest of All Time“) gekürt wurde. Dieses seit 1952 alle zehn Jahre erhobene Voting hatte erheblich zum verdienten Nachruhm von „Citizen Kane“ beigetragen und zuletzt Hitchcocks „Vertigo“ getroffen.
Eine Handlung gibt es bis auf die letzte Szene nicht. Wir sehen einer Hausfrau beim Leben zu, vor allem in ihrer Wohnung. Ab und zu begleiten wir sie auf kurzen Wegen nach draußen.

Einen so obskuren Film wie „Jeanne Dielman“ mit dieser Auszeichnung zu versehen, ist eine Provokation – klar! Das birgt allerdings die Tücke, einen Schatten auf die Jury (und damit auf ihr Urteil) zu werfen: den Schatten des Verdachts nämlich, dass man sich hier von einzelnen superpfiffigen Teilnehmern dazu hat anstiften lassen, diesmal kein in der üblichen Weise salomonisches Urteil zu fällen, sondern eben ein provozierendes – und damit in diesen digitalen Zeiten mal etwas auf den Busch zu klopfen. Das schmeckt mir ein wenig unseriös, und ich hatte das Gefühl, hier werde das selbstgestellte Thema verfehlt. Vor allem unter diesen klammen Vorzeichen ging ich daran, mich mehr als drei Stunden lang auf ein Werk einzulassen, das dem Regisseur von „Vertigo“ als Inbegriff der von ihm verachteten „Kitchen Sink Movies“ erschienen wäre. Da man ihm da schlichtweg nicht widersprechen kann, war die Frage die: kann es ein solcher Film schaffen, mich trotzdem zu unterhalten. Es sprach einiges dafür, denn Stoffe, die mich eigentlich nichts angehen und mich trotzdem einfangen, sind ein Vergnügen besonderer Art. Im Podcast spreche ich regelmäßig von solchen Glücksmomenten.  

Als einzige Recherche vorab wollte ich unbedingt wissen, was Michael Haneke dazu sagt. Er ist nicht nur der alle überflügelnde Meister darin, im Alltag Haarsträubendes freizulegen, er hat mich auch bei jedem seiner Filme aus meinen Sehgewohnheiten herausgeführt und fast immer begeistert. Nachdem Chantal Akerman in den beiden Haneke-Büchern in meinem Regal – eins davon ein langes Interview – nicht erwähnt wird, habe ich auf eine Internet-Recherche verzichtet.

Als ein Filmliebhaber, der an den Entstehungszeitraum 1975 noch persönliche Erinnerungen hat und der sich sehr gern in diese Ära entführen lässt, hatte ich rasch einen Eindruck, der sich bis zuletzt nicht verflüchtigen sollte: die Innovation, für die die Regisseurin allenthalben gepriesen und von „Sight And Sound“ als „A Primer“ bezeichnet wird, besteht allenfalls in der zeitlichen Länge, die sie ihren Stilmitteln einräumt. Schmucklose Plansequenzen von Alltagsbildern hatte es zuvor bereits bei Fassbinder gegeben – und im Gegensatz zu seinen zahllosen Verehrern bin ich der Auffassung, dass es ihm gut angestanden hätte, diesen Raum etwas kreativer auszufüllen. Bei Akerman dauern diese Einstellungen noch wesentlich länger, und es wird vorher aufgeräumt und sorgfältiger ausgeleuchtet. Überhaupt ist die hier behauptete Normalität das große Problem. Um als Heldin dieses Panoramas zu überzeugen, hätte sich Delphine Seyrig (zu sehen in „Letztes Jahr in Marienbad“ und beim späten Buñuel), natürlicher verhalten müssen. Sie bewegt sich stets wie unter Bobachtung: steif, geometrisch exakt wie eine veraltete Computeranimation. Ich ganzer Habitus hat etwas Kontrolliertes, darstellerisch Verunsichertes. Dadurch wirkt das Ergebnis wie eine Real-Life-Installation auf einem Performance-Festival.
Ich musste an einen Ausspruch von Woody Allen denken (den ich grundsätzlich zum Glück nicht teile): „Man merkt Schauspielern immer den Widerwillen an, eine Regieanweisung erfüllen zu müssen.“ Hier gab es offenbar nur eine einzige solche Anweisung: „Spiel einfach so, als wären wir nicht hier, um dich die ganze Zeit zu filmen!“

Zu dieser Künstlichkeit trägt bei, in welcher Weise die wenigen Dialoge ablaufen – es sind eher Monologe. Es gibt (wenn ich richtig gezählt habe) drei solcher Vorträge, die wie eine Lesung heruntergerattert und vom Gegenüber stoisch abgewartet werden. Ist das vielleicht gerade die Botschaft? Will uns die Regisseurin zeigen, wie unfähig wir zur Kommunikation sind? Blödsinn, das ist einfach schlecht gemacht! Spätestens im Krönungsjahr 2022 kann mir diese Ausrede doch niemand mehr ernsthaft verkaufen wollen.
Die Einzelheiten von Dielmanns Witwenschaft werden uns in der frühesten Gardinenpredigt erklärt, einem ärgerlichen Funktionstext. Dass die Mutter kein herzliches Verhältnis zu ihrem Sohn aufzubauen versteht, ist ein dankbares Thema, doch auch dieses wird eher inszenatorisch ausgesessen als tatsächlich erzählt. Dass der bedauernswerte Teenager nicht mal ein eigenes Zimmer hat, wird ihm damit versüßt, dass sein Darsteller seinen Monolog von einer Tafel außerhalb des Bildrandes ablesen darf, die er eisig fixiert. Ganz wie die Mama: ohne Mimik, ohne Timing, ohne Rhythmus. Die wenigen knappen Alltagsgespräche („Ich habe weniger Wasser genommen, damit es besser schmeckt.“) sind würgender, banaler und gesuchter als alles, was die langweiligste bürgerliche Tristesse bereithält.
Dass sich Jeanne Dielman prostituiert, wird uns gleich zu Beginn erzählt. Dieser dramaturgische Paukenschlag – als solcher funktioniert er noch heute – wird uns gleich zu Begin präsentiert, was mir etwas verfrüht erscheint. Vielleicht hat die Regisseurin sich dazu entschieden, weil uns das Finale zu diesem Thema zurückführen wird und somit eine Klammer entsteht.
Der Film, den Chantal Akerman im Sinn gehabt haben könnte, ist in gelungener Weise bis heute nicht vorgelegt worden, und insofern ist ihr Konzept noch immer frisch. Ich kann die Erfüllung dieses Versprechens allerdings gut abwarten.

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Kultfilm-Azubis (3): Geschäftsmann findet Anschluss

Die heutige Folge des Podcasts dreht sich um zwei Filme, in denen sich ein schlaues Mädchen aus pragmatischen Gründen einem deutlich älteren Mann anschließt – mit nicht absehbaren Folgen.

A) Pretty Woman
Amerikanische Liebeskomödie von 1990

Der graumelierte New Yorker Millionär Edward (Richard Gere) verfährt sich mit dem Mietwagen in Los Angeles. Die Hure Vivian (Julia Roberts) steigt zu, lotst ihn zum Luxushotel „Beverly Wilshire“ und bringt ihn mit einem Griff neben den Steuerknüppel in Stimmung. In der eleganten Suite angekommen, packt sie erst einmal ihre Profi-Ausstattung aus: Kondome in den Regenbogen-Farben. Edward bietet ihr an, für 3000 Dollar plus Boutiquenbummel mit der goldenen Kreditkarte die zehn Tage bis zu seiner Heimreise Tisch und Bett mit ihm zu teilen. Vivian, die pfiffige Bordsteinschwalbe, entwickelt sich zur Dame und verweist die Society-Susen auf die Plätze. Ein Märchen wird wahr …

Overknee-Stiefel, die eine Modewelle auslösten, eine legendäre Shoppingtour zum kultigen Titelsong von Roy Orbison, eine klägliche Musicalversion, die ausgerechnet diesen Song nicht verwenden durfte – die 1990 erschienene Liebeskomödie „Pretty Woman“ von Garry Marshall ist bis heute der größte Kinoerfolg des Genres. Diese moderne Variante der Dirne mit dem Goldenen Herzen brachte Millionen zum Schluchzen und machte die 22-jährige Julia Roberts augenblicklich berühmt. Eine kuriose Besonderheit: die schwule Community, die in jenen Tagen so viele Filmerfolge mit starker Titelheldin zu verantworten hatte, mochte diesen Film überhaupt nicht!

B) Paper Moon
Satirische US-Komödie von 1973

Die USA zur Zeit der Großen Depression. Am Grab einer Ex-Geliebten bekommt der charmante Trickbetrüger Moses (Ryan O’Neal) deren Tochter aufs Auge gedrückt – und mit Bestimmtheit wissen wir nur, dass es im wirklichen Leben auch seine eigene (Tatum O’Neal) ist. Addie soll bei einer Tante abgeliefert werden. Auf dem Weg dorthin nervt sie Moses mit ihrer schlechten Laune und ihrem Dickkopf. Bei dessen Fischzügen als betrügerischem Bibelverkäufer erweist sich die zigarettenrauchende Göre jedoch als hilfreiches Naturtalent. Dennoch lässt Moses keinen Zweifel daran, dass er sie wie geplant abliefern will. Addies Laune verfinstert sich noch mehr, als Moses eine vulgäre Cabaret-Sängerin zusteigen lässt, die ihn ganz offensichtlich längerfristig ausnutzen möchte …

Tatum O’Neal wurde mit 9 Jahren die jüngste oscarprämierte Schauspielerin überhaupt, und an den Erfolg des Films schloss sich eine gleichnamige Fernsehserie an. Seither ist die Zeit gründlich über dieses Frühwerk von Peter Bogdanovich hinweggegangen. Heute wieder hervorgeholt, beweist der Film einen berühmten Ausspruch von Loriot: Altmodisches hält sich besser.

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Thomas Mann ist komisch

betr.: 150. Geburtstag von Thomas Mann (morgen)

Loriot über seine Darstellung des verehrten Schriftstellers in der Romanverfilmung „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“: „Das will gestaltet sein!“

Es mag 1970 gewesen sein, da brachte die Veröffentlichung der Memoiren des Dichterfürsten Thomas Mann ein neues Element in seine Rezeption: die Homosexualität des Autors. Dabei fehlt es ja auch in seiner Literatur nicht an Hinweisen darauf, aber die Gesellschaft war wohl noch nicht soweit.
Was nach wie vor zu kurz kommt und in den unzähligen Kulturbeiträgen zum diesjährigen Doppeljubiläum praktisch keine Rolle spielt, ist ein Aspekt, der nicht selten mit einer homosexuellen Neigung zusammenfällt. Auch in meinem Deutschunterricht spielte er keine Rolle: Thomas Mann ist ein großer Humorist.
Eine Zeitlang dachte ich, ich wäre der einzige, der sich über seine maliziösen Figurenportraits amüsiert, doch dann fiel mir auf, dass auch Loriot – der Deutschen höchstverehrter Komödiant – ihn genauso wahrnimmt und sogar in seine Arbeit einfließen lässt. Bei Thomas Mann geht es freilich nicht um Pointen, sondern um einen Blickwinkel, der das Leben als einen beständigen Kampf gegen Banalität und Lächerlichkeit erscheinen lässt. Und bekanntlich ist kaum eine Quelle des Witzes ergiebiger als diese.
In einer Diskussionsrunde im Süddeutschen Rundfunk hat sich der Schriftsteller 1953 explizit dazu bekannt. Er tat dies allerdings mit der ihm eigenen Spitzfindigkeit. Den Humor, „der das herzaufquellende Lachen zeitigt“, habe er „als Wirkung der Kunst persönlich höher“ geschätzt „und als Wirkung meiner eigenen Produktion mit mehr Freude“ begrüßt „als das erasmische Lächeln, das durch die Ironie erzeugt wird“.

Dass Thomas Mann – wie man dieser Tage immer wieder hört – auch im Ausland intensiv gelesen, gefeiert und adaptiert wird, könnte seine Gründe jenseits dieses Aspektes haben. Ich habe keine Ahnung, ob und wie sich sein Sprachwitz in Übersetzungen darstellt. Eine einschlägige Analyse wäre ein großartiges Geschenk! Vielleicht beim nächsten Jubiläum …

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Lange Sätze – Lesen vom Blatt

betr.: Sprechen am Mikrofon / Übung / 150. Geburtstag von Thomas Mann in diesen Tagen

Wer nach dem geeigneten Text fragt, um in das Werk von Thomas Mann einzusteigen, dem wird wahrscheinlich „Mario und der Zauberer“ empfohlen, eine frühe und recht kurze Erzählung. Sie handelt oberflächlich von der Urlaubsreise einer Familie ins italienische Torre die Venere, im Subtext vom Besuch in einer Republik, in der kürzlich eine Diktatur ausgebrochen ist (Mussolinis Faschismus hat im Vorjahr begonnen), und dazwischen vom Dialog des Auftretenden mit seinem Publikum. Obwohl die Vorstellung im Sinne des Künstlers gelingt (eines als Illusionist getarnten Verführers und Hypnotiseurs), erzählt der Autor von allen Varianten einer Darbietung: glückend wie missratend, vor frechem wie vor ergebenem Publikum, aus der Perspektive plumper Störer und ergriffener Betrachter.

Torre hat ein Grand Hotel bekommen; zahlreiche Pensionen, anspruchsvolle und schlichtere, sind erstanden; die Besitzer und Mieter der Sommerhäuser und Pineta-Gärten oberhalb des Meeres sind am Strande keineswegs mehr ungestört; im Juli, August unterscheidet das Bild sich dort in nichts mehr von dem in Portoclemente: es wimmelt von zeterndem, zankendem, jauchzendem Badevolk, dem eine wie toll herabbrennende Sonne die Haut von den Nacken schält; flachbodige, grellbemalte Boote, von Kindern bemannt, deren tönende Vornamen, ausgestoßen von Ausschau haltenden Müttern, in heiserer Besorgnis die Lüfte erfüllen, schaukeln auf der blitzenden Bläue, und über die Gliedmaßen der Lagernden tretend bieten die Verkäufer von Austern, Getränken, Blumen, Korallenschmuck und Cornetti al burro, auch sie mit der belegten und offenen Stimme des Südens, ihre Ware an.

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Tierhaargespräche

geführt von Monty Arnold

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